Zunächst möchte ich die hier angeklagten Genossinnen und Genossen, die Verteidigerinnen und Verteidiger, die gegen den deutschen Imperialismus, seine Kollaboration mit der faschistischen, reaktionären Türkischen Republik und Ungerechtigkeit an unserer Seite stehen, begrüßen.

Jene, die uns in den Gefängnissen und im Gerichtssaal unterstützt haben, uns mit ihren Briefen und ihrem Beifall zur Seite gestanden haben,

außerdem seien die hier anwesenden Genossinnen, Genossen und Freunde gegrüßt!

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrter Senat, 

Sehr geehrter Vertreter der Anklage,

ich möchte vorab bemerken, dass die Haft und das Verfahren für mich lehrreich waren. Zumindest wurde ich noch einmal Zeuge davon, dass das Gerede von der europäischen Demokratie wie auch der Demokratie in Deutschland heiße Luft ist.

Die europäische und die deutsche Demokratie sind ein gegen die Arbeiter und Werktätigen gerichteter Mechanismus der Unterdrückung, der den Interessen des Kapitals  gemäß entworfen wurde. Der “heilige Staat” ist der Staat einer kleinen unterdrückerischen und ausbeuterischen Elite. Folglich sind die Begriffe ‘Gerechtigkeit’, ‘Unabhängigkeit des Rechts’, ‘Primat des Rechts’ nichts als Worte. Auch wenn mich dies nicht überrascht, konnte ich es noch einmal mit eigenen Augen erleben. 

Ich denke, es ist von Nutzen, auf einige Dinge einzugehen, die sich nach meiner Auslieferung in Deutschland zugetragen haben.

Viereinhalb Monate nachdem ich am 14. April 2015 in Griechenland durch Europol festgenommen wurde, erfolgte am 8. August 2015 meine Auslieferung an Frankreich, später schließlich am 13. November 2015 an Deutschland.  Ich konnte Zeuge werden, wie, zuvorderst der deutsche Imperialismus, die westlichen imperialistischen Staaten sowie die faschistischen Staaten als deren regionale Kollaborateure, gegen Revolutionäre und Sozialisten zusammengearbeitet haben.

Als Beispiel: Das Foto, das am Tag meiner Auslieferung an Frankreich auf dem Flughafen Charles de Gaulle von mir gemacht wurde, ist noch bevor ein Jahr vergangen war, auf der Fahndungsseite des türkischen Innenministeriums online veröffentlicht worden. Es ist heute noch auf dieser Seite veröffentlicht.  

Artikel 1 des Grundgesetz: “Die Würde des Menschen ist unantastbar.”

Gut, aber in welchem Maße sind das, was wir in den Justizvollzugsanstalten erlebt haben, und die Bedingungen dort mit diesem Artikel vereinbar? Wie sehr sind die Behandlungen, die Blicke der Beamten, mit denen wir konfrontiert waren, damit vereinbar?

Als Beispiel: Als ich den Polizeibeamten (der mich in Größe weit überragte)  fragte, wann denn die Verhandlung fortgesetzt werde, betrachtete er mich von oben bis unten und lächelte spöttisch. Nachdem ich meine Frage mehrmals wiederholt hatte, musterte er mich weiterhin von Kopf bis Fuß und lächelte weiter spöttisch. Und ich habe ihm gesagt, er sei ein Dummkopf. Später hat mich der  Polizeibeamte wegen Beleidigung angezeigt und ich habe 300 Euro Strafe gezahlt. Dieser Vorfall ist in die Gerichtsprotokolle eingegangen. Natürlich, schließlich sind wir ja Untersuchungsgefangene, Inhaftierte! Ich behaupte nicht, dass es richtig von mir war, ihn als dumm zu bezeichnen, aber es musste eine Reaktion auf seinen immer wiederkehrenden spöttischen  Umgang geben. Auch als Polizist hat er kein Recht, einen Inhaftierten zu verspotten, ihn entwürdigend zu behandeln. In der JVA München war ich unmittelbar Zeuge, als der Vollzugsbeamte sagte, er möge keine Politischen. Ein herzkranker bulgarischer Staatsbürger musste jeden Morgen sein Medikament einnehmen. Die Türen werden nur zu den Essenszeiten für 15 Minuten geöffnet. Unter diesen Umständen muss morgens der  Vollzugsbeamte die Medikamente in die Zelle bringen und aushändigen. Jedoch hat dieser Vollzugsbeamte trotz der Beschwerden des Gefangenen nicht nur die Herausgabe des Medikaments verweigert, er hat sich dazu noch so spöttisch verhalten als wolle er sagen “Komm und hol sie dir”.  Wie soll der Gefangene denn aus der verschlossenen Zelle rauskommen und sein Medikaments holen? Das Problem hier ist die verantwortungslose Haltung der Leitung, trotz der schriftlichen Beschwerden.

An diesem Ort werden auf diese Weise die Menschenrechte schwer verletzt. Ich denke, dass diese Menschenrechtsverletzungen in deutschen Vollzugsanstalten bewusst, geplant und systematisch begangen werden. 

Am 13. November 2015 wurde ich in Karlsruhe dem Haftrichter vorgeführt. Es wurde die Fortsetzung meiner Haft und meine Überführung in die JVA Straubing beschlossen. So wie es auch heute hier der Fall ist, war es auch an jenem Tag. Das, was sich an besagtem Tag zutrug, war ein reines Schauspiel. Denn die erhobenen Vorwürfe waren gleichsam einem Krimi entliehen, es war ein schlechtes Drehbuch.

Dass, obwohl wir meiner Verlegung in die JVA Straubing widersprochen hatten, auf die Verlegung wurde, war logisch. Obgleich es entsprechende Möglichkeiten gab, wurden alle Alternativen vehement abgelehnt und ich in eine Haftanstalt geschickt, die 400-450 km weit weg von meiner Familie war. Der Gedanke dahinter war, mich fern meiner Familie in einem Hochsicherheitsgefängnis noch mehr zu isolieren. 

Anschließend übergaben sie mir mehrere vorgefertigte Seiten im DIN A4 – Format, in denen angeblich meine Rechte aufgeführt waren. Als danach der Richter “diese Rechte sind das, was zwischen meinen Lippen hervorkommt”, sagte, hat er im Grunde zum Ausdruck gebracht, wie inszeniert das Ganze war.

Auf die im weiteren Verlauf von mir eingereichten Anträge habe ich hinsichtlich dieser Rechte keinen positiven Entscheid erhalten. 

In den ersten Stunden nach Ankunft in der JVA Straubing redest du mit ein paar Beamten, damit die Formalitäten erledigt werden. Was du von jedem Beamten, den du triffst, als erstes zur Antwort bekommst, ist: “Das ist Straubing hier”, mit erhobenem Zeigefinger. Auch wenn du beim ersten Hören diesem Satz keinen Sinn geben kannst, ist er doch ein ein vieldeutiger Hinweis. 

Später kam ich dann in die Zelle. Es waren nicht einmal 15-20 Minuten vergangen, als der Vollzugsbeamte mich zu sich rief. Wir betraten einen Raum, in dem mir gegenüber 8-10 Personen, (Arzt, Sicherheitspersonal, Abteilungschefs, Direktor usw.) in einer Reihe saßen. Sie wiesen mir einen Sitzplatz zu. Einer von ihnen stellte mir eine einzige Frage: “Würdest du Selbstmord begehen wollen?” Ich habe gesagt: “Was ist das denn für eine Frage”, erwiderte ich. Er schaute die Anderen an und fragte, ob jemand noch eine Frage hätte. Als niemand einen Ton von sich gab, sagte er mir, dass ich gehen könne. Ständige Zellen- und Körperkontrollen in den darauffolgenden Tagen; Fragen, ob ich dies oder jenes besäße. Dabei hatte ich überhaupt noch keinen Besuch, ich bin 23 Stunden in der Zelle. Die Besuche finden unter der Aufsicht von Polizei und Vollzugsbeamten hinter Trennglas statt.

Monatelang werden meine Briefe zurückgehalten, manchmal werden sie mir in gesammelter Form übergeben. Es kam vor, dass meine Familie mir Fragen stellte und ich konnte nicht antworten. Die verspätete Ankunft und die verspätete Sendung der Briefe hinderten mich daran, die Fragen der Kinder zu beantworten. Wenn ich nach den Gründen für die verspätete Aushändigung meiner Briefe fragte, lautete die Antwort: “Das sind die Dolmetscher schuld”. Diese Erklärung schien mir nicht wahrheitsgemäß und aufrichtig zu sein. Ein Staat zu sein besteht nicht darin, jemanden festzunehmen, sondern Verantwortung zu tragen.  

Das Öffnen von Verteidigerpost. 

Obwohl es eine Klinik in der Straubinger JVA gibt, bringen die Beamten die Gefangenen zur willkürlichen Entnahme von Urinproben ins Kellergeschoss.

Die Gefangenen wurden im Korridor in einer Reihe aufgestellt und mit Hunden kontrolliert. Solche Bilder sind aus Filmen über den Hitler-Faschismus bekannt. 

Hunde werden in die Zellen gelassen und hierbei sämtliche Sachen durcheinander gebracht, die von uns eingekauften Lebensmittel wurden einzeln von den Hunden beschnüffelt. 

Der Briefverkehr zwischen den Gefangenen und ihren Familien in deren Muttersprache wird untersagt, in der Muttersprache geschriebene Briefe werden den Gefangenen nicht ausgehändigt. Hinzu kommt, dass die Familien dieser Gefangenen im Ausland leben. Sie haben nicht die Möglichkeit, in einer anderen Sprache zu schreiben. 

Willkürlich werden unter dem Vorwand einer Disziplinarstrafe die Fernsehgeräte einkassiert, und damit die Informationsfreiheit untergraben. 

Die Haltungen der Sozialarbeiter und Ärzte sind schwerlich vom Verhalten der Vollzugsbeamten und Sicherheitskräfte zu unterscheiden. Um ein Beispiel zu geben: 

Während meines Aufenthalts in Frankreich stand ich mit den Sozialarbeitern im Gesprächskontakt. Wenn ich zum Sozialarbeiter ging, unterhält er sich erst mit dir über dieses und jenes, später spricht er mit dir über die Probleme und sucht dann nach Lösungen. 

In Straubing habe ich einen Antrag eingereicht, um mit dem Sozialarbeiter zu sprechen. Ein, zwei Tage später kam der Vollzugsbeamte und sagte mir, dass der Sozialarbeiter warte. Wir gingen zusammen zum Zimmer des Abteilungsleiters, dort saß einer auf der anderen Seite des Tischs, zurückgelehnt, die Füße auf dem Tisch. “Ist das der Sozialarbeiter?”, fragte ich den Beamten. Der sagte ja, worauf der Mann dazwischen ging und fragte: “Was willst du?” Ich sagte: “Von dir will ich nichts”, und ging zurück in die Zelle.

Die Willkürliche Verhinderung von Telefongesprächen.

Um ein Beispiel zu geben: 

Einem Menschen, dessen sämtliche Familienangehörigen in der Türkei leben, kann das Recht auf ein Telefongespräch mit der Behauptung, es läge kein ausreichender Grund hierzu vor, vorenthalten werden. Ein anderes eklatantes Beispiel: Einem italienischen Gefangenen wird sein Recht, mit seiner kranken Mutter zu telefonieren, unter dem Vorwand, er hätte keinen Grund dafür, entzogen. Ich frage, welchen Grund muss ein Mensch haben, um mit seiner kranken Mutter zu telefonieren?

Diese Geschehnisse habe ich in einem sieben Monate langen Zeitraum erlebt oder bin deren Zeuge geworden. Es gibt keinerlei Rechtfertigung für den Entzug dieser oder ähnlicher Rechte!

In der gegebenen Lage sind die Freiheiten, die Demokratie und die Rede von den Menschenrechten diskussionswürdig. Innerhalb der JVA sind an den Ein- und Ausgängen aller Trakte X-Ray-Geräte angebracht. Im gesamten Trakt kann man sich nur in Begleitung von Vollzugsbeamten bewegen. Die Einkäufe werden bei Vertragspartnern der JVA unter der Aufsicht der Beamten gemacht. Kurz, wenn es ein Sicherheitsproblem gibt, dann fällt dies unter die Verantwortung des JVA-Personals, der JVA-Leitung. Die Sicherheit als Vorwand zu nehmen, bedeutet, Folter zu legitimieren. Dabei liegt diese Situation offen zu Tage. Die Absicht ist, den Gefangenen zu brechen, zu isolieren, zu entwürdigen und zur Aufgabe zu zwingen. Dies ist in vollem Umfang bewusst und systematisch angewandte Staatspolitik. 

Die Zeit in Frankreich:

In den letzten vier Jahren war am häufigsten die Rede von der ‘DVD Pektaş’. Diese ist so oft zitiert worden, ihr wurde derart viel Bedeutung beigemessen, dass ich nun auch das Bedürfnis habe, hierzu ein paar Worte zu sagen. 

Ich möchte hier gegenüber dem Senat und dem Vertreter der Anklage folgendes sagen. Vielleicht werden Sie dem keine Beachtung schenken, werden Sie nicht zuhören und sie werden sagen: “All das haben wir oft gehört.” Aber ich sage es trotzdem.

Der Vertreter der Anklage hält, ohne einen Augenblick zu zögern, beharrlich an der DVD-Pektaş fest. Wie wurde diese DVD erstellt? Wie funkioniert das Justizsystem in Frankreich, unter welchen Voraussetzungen werden die Ermittlungen geführt? Diese Gedanken kommen ihm nicht, er prüft nicht nach! Weil Frankreich ein demokratisches Land ist und die DVD von französischen Behörden erstellt wurde! 

Ein Staat zu sein, ist nicht gleichbedeutend damit, allzeit alles und den Regeln entsprechend zu tun. In einem System, in dem die Arbeitskraft ausgebeutet wird, in dem der Staat im Sinne der herrschenden Klassen entworfen wurde, ist es äußerst schwer, gerecht und objektiv zu sein. Wenn es so gewesen wäre, hätte es eine Erklärung für die bis heute entstandenen Fehler und Ungerechtigkeiten gegeben. In diesem Fall würde man in der Türkei “pardon”, in Frankreich “je suis désolée” sagen.

Ein kurzes Beispiel: In einem Städtchen in Frankreich werden sechs Personen wegen einer Vergewaltigung festgenommen und angeklagt, sie sitzen anschließend Haftstrafen zwischen vier und sechs Jahren ab. Nach sechs Jahren wird das Vorliegen eines Justizirrtums festgestellt. Der Staatsanwalt erklärt vor dem Parlament: “Ich hatte lediglich die Protokolle und Informationen der Polizei beachtet,  ich bitte um Entschuldigung.” Daraufhin wurden die Opfer finanziell entschädigt. Dieser Fall wurde im französischen Fernsehen veröffentlicht. 

Im selben Zeitraum wurde der Sohn des obersten Antiterrorrichters Burger Juge wegen Motorraddiebstahls festgenommen. Der Sohn von Burger Juge wurde nach nicht einmal 24 Stunden wieder freigelassen. Der Polizist, der ihn festgenommen hatte, wurde strafversetzt. Eine Richterin, die zu dieser Zeit an einer Talkrunde auf dem TV-Kanal FR3 teilnahm, sagte, sie traue dem französischen Justizsystem nicht. Infolge dieser Diskussion wurden im Jahr 2006 ernsthafte Debatten in der französischen Öffentlichkeit geführt. Im weiteren Verlauf erklärte Frankreichs Staatspräsident Sarkozy, Gefängnisinsassen seien “keine Menschen”. 

Natürlich behaupte ich nicht, dass dies nur auf den französischen Staat zutrifft, dies sind besondere Charakteristika, die auf jeden Staat zutreffen. 

Wenn man in die Archive der Staaten schaut, kann man zahlreiche Beispiele für Intrigen, Betrügereien und Manipulationen sehen. 

Wenn in der Türkei die schmutzigen Geschäfte, Morde, Massaker dunkler Mächte mit der Justiz in Berührung kommen, verschwinden Dokumente, werden Kameraaufnahmen gelöscht oder verschwinden gleichfalls. Im Haus des Istanbuler Abgeordneten und pensionierten Generals Şirin Ünal wird die aus Usbekistan stammende Nadira Kadirova tot aufgefunden, es werde keine Beweise gefunden!

Wenn es um Revolutionäre, fortschrittliche Menschen, Patrioten geht, sind Zeugen, Kameraaufnahmen, Dokumente lückenlos vorhanden. Vermeintlich defekte Kameras arbeiten exakt auf die Minute genau. Es ist interessant, dass auch in diesem Verfahren Kameraaufnahmen verschwinden. Der Vertreter der Anklage kann diesbezüglich keine überzeugende Erklärung bieten. Schauen Sie sich diesen Zufall an: auch im NSU-Verfahren sind Dokumente verschwunden, sogar solche, die auf gerichtlichen Beschluss hin in die Polizeiprotokolle aufgenommen wurden, haben sich in Luft aufgelöst. Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe wird, um ihre Oma besuchen zu können, von München nach Köln gefahren. Unterwegs darf sie sich gemeinsam mit den Polizeibeamten in ein Café setzen und Kaffee trinken (Zitat aus ZDF-Info).  Sinan Aydın verliert seine Schwägerin, aber aus Gründen Sicherheit wird ihm die Teilnahme an der Trauerfeier verwehrt. Wie sehr sich doch die Praxis und Denkweisen der Staaten und ihrer Institutionen gleichen. 

Den Beleg für das Geld, das eine der Angeklagten in Frankreich Jahre vor ihrer Festnahme auf dem Weg von der Türkei nach Frankreich am Flughafen deklariert hat, fügte der Ermittlungsrichter Franyoli als Beleg für das in die Türkei geschickte Geld der Akte bei. Am ersten Verhandlungstag wurde er auf unsere Beschwerde hin aus der Akte entfernt. 

Erstens, in Frankreich wurden zwölf Personen angeklagt. Da zehn von ihnen aus der Türkei stammten, sprachen sie Türkisch. Die anderen zwei Personen waren Menschen aus den osteuropäischen Staaten, die wir am  ersten Verhandlungstag im Saal gesehen hatten. 

Diese Personen waren dem Angeklagten Kemal Çiftçi bekannt und sie kannten Kemal. Das Gericht übergab ihnen die 250-seitige Anklageschrift in französischer Sprache, nicht in Türkisch. Überdies wurde während des 5 Jahre andauernden Verfahrens kein einziges Dokument übersetzt. Später wurden für das auf 10 Tage anberaumte Verfahren zwei Dolmetscher geladen. Einer war türkischstämmig. Der andere war ein armenischstämmiger türkischer Dolmetscher.  

Am ersten Verhandlungstag hat einer unserer als Besucher anwesenden Freunde den türkischstämmigen Dolmetscher erkannt und uns gewarnt. Er sagte, dass dieser Dolmetscher ein angestellter Mitarbeiter des Nationalen Nachrichtendienstes MIT sei. Wir haben daraufhin über unsere Anwälte einen Antrag beim Gericht gestellt. Der Vorsitzende rief den Dolmetscher an den Richtertisch und fragte ihn, ob er Mitarbeiter des MIT sei. Und der Dolmetscher gab zu, angestellter Mitarbeiter des MIT zu sein. Der vorsitzende Richter entpflichtete ihn von seiner Aufgabe.

Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit besonders darauf lenken, dass diese Person nicht etwa jemand ist, der aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit mit dem Konsulat oder einer anderen türkischen Einrichtung gegen Bezahlung zusammenarbeitet. Es handelt sich um einen vom türkischen Nationalen Nachrichtendienst in Frankreich eingesetzten türkischen Polizeibeamten, wie dieser selbst gegenüber dem Vorsitzenden erklärt hatte. 

Was aber außer acht gelassen wird, ist, dass dieser Dolmetscher 7-8 mal an meinen Vernehmungen teilgenommen hatte. Obwohl dieser Mensch als Mitarbeiter des MIT bekannt war, wurde er vom Ermittlungsrichter Franyoli zu meinen Vernehmungen als Dolmetscher hinzugezogen. Hier muss ich hinzufügen, dass 3 Frauen von der PKK, Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şeylamaz in Paris vom MIT ermordet wurden und, wie es der Zufall will, die Kameras am Tatort defekt waren. 

Im weiteren Verlauf des Verfahrens ging es mit zehn Angeklagten und einem Dolmetscher weiter. Im Saal gab es nur ein Mikrofon. Der Dolmetscher hörte sich den Staatsanwalt und den Richter an und übermittelte uns nur die Zusammenfassung des Gesprochenen. Um die Verdolmetschung verstehen zu können, standen wir alle drei, vier Minuten auf und versammelten uns um den Dolmetscher. Unser Anblick im Saal erinnerte an einen Zirkus. 

Ich weiß nicht, ob sie es wissen, in Frankreich gibt es gegen die TKP/ML keinerlei Strafverfolgungen oder Ermittlungen. Die Polizei stürmt die Wohnung des Beschuldigten Kemal Çiftçi. Weil ich mich in der Nacht ebenfalls in dieser Wohnung aufhielt, haben sie auch mich festgenommen. Der Geschäftspartner von Kemal hatte ihn wegen Entführung angezeigt, weil Kemal von ihm Geld verlangt habe. Zwei Tage zuvor sollen sie zwei Mitarbeiter von Kemal festgenommen haben, nach ihm wurde zu diesem Zeitpunkt noch gesucht. 

Am 4. Oktober 2005 hatte ich einen Freund in Paris besucht, auch Kemal hatte ich getroffen. Wir sind dann zusammen in Kemals Wohnung gegangen. Die Nacht hatte ich dort verbracht, am Morgen war ich im Begriff, die Wohnung zu verlassen. Derweil stürmte die Polizei die Wohnung und nahm Kemal und mich fest. Ich wurde genau vier Tage lang vernommen. Der Geschäftspartner, der Kemal angezeigt hatte, erklärte bei der Gegenüberstellung wiederholt, mich nicht zu kennen und mich nie gesehen zu haben. Es scheint wie ein Scherz auszusehen, aber der Erstatter der Anzeige bestand darauf, dass der bei der Gegenüberstellung neben mir stehende Beamte in Zivil Kemals Geschäftspartner gewesen sei. 

Das verkündete Urteil ist noch interessanter, hier heißt es: „Vielleicht sind Sie heute nicht organisiert, aber es gibt keine Garantie dafür, dass Sie in Zukunft nicht organisiert sein werden.“

Ich vermute, dass die nun in Ihren Händen befindliche  DVD-Pektaş aus einem solchen Abenteuer resultierend erstellt wurde. 

Der Haftbefehl:

Der Haftbefehl vom 1. April 2015 (in der deutschen Fassung 46 Seiten, in der türkischen 41, unterzeichnet vom Richter Cirener) ist von einer Güte, dass ihr in der Geschichte des deutschen Rechts und des Strafgesetzes ein gebührender Platz zuteil wird. 

Sie könnte sogar Studenten der Rechtswissenschaften als Anschauungsmaterial dafür, wie das Recht zerstört werden kann, dienen. 

Es ist interessant, ich habe gesehen, wie sich sowohl in Griechenland als auch in Frankreich die Richter das Lachen kaum verkneifen konnten, als sie sahen, dass dieses Dokument ernsthafte Rechtsfehler beinhaltete. 

Auch wenn es nur zum Schein war, haben sie auf meine Weigerung hin, mich an Deutschland ausliefern zu lassen, sich nicht zurückhalten können, mir anzudrohen, eben selbst das Strafverfahren gegen mich durchzuführen. 

Ja, dieser Haftbefehl wurde vollständig auf Bestellung erstellt und das Urteil stand bereits von Beginn an fest. Wie sehr er es auch leugnete, dass dies auf Bestellung geschehen ist, hat der faschistische Präsident der Republik Türkei, Tayyip Erdoğan, im einem Interview mit der ARD es schließlich zugegeben. 

Dieses Haftbefehl zeigt, dass auch das hier geführte Verfahren ein reines Scheinverfahren, bloßes Theater ist.

Was hier geschieht, ist lediglich, die Vollstreckung ohne Verfahren in eine mit den Gesetzen konforme Form zu bringen, sie anzupassen. 

Um diesen Haftbefehl lesen und analysieren zu können, muss man kein Jurist sein oder wissenschaftlich gearbeitet haben. 

In jedem Satz sind auf Bestellung hin erhobene, lächerliche Anschuldigungen zu finden. Die verwendeten Ausdrücke wurden mit Bedacht gewählt, sei es um den Senat, sei es um die Öffentlichkeit zu beeinflussen. Dieser Haftbefehl enthält täuschende, suggestive Aussagen. 

Soweit ich weiß, ist es eine Straftat, die Justiz zu täuschen und irrezuführen. Die Bundesanwaltschaft hat keine Bedenken, diese Straftat ein um’s andere mal zu begehen. Die im Haftbefehl gegen uns erhobenen Anschuldigungen enthalten Aussagen und Feststellungen, die im Grunde den Charakter eines bereits vorher gefällten Urteils haben. Und auf der anderen Seite werden die von der Türkischen Republik verübten Massaker, die Folter, der Staatsterror heilig gesprochen. 

Wie zu erinnern ist, im zweiten Jahr des Verfahrens haben sich die wegen der Situation in der Türkei sorgenden Menschen auf der Straße gefragt, was in der Türkei vor sich geht; sie sagten: “In der Türkei herrscht eine Diktatur, Erdoğan ist ein Diktator!” Es ist interessant, dass die Vertreter der Anklage von den Freiheiten in der Türkei und von einem demokratischen Land sprachen, derweil diese Diskussionen in deutschen Fernsehsendungen geführt wurden. Wenn jedoch die Vertreter der Anklage unter Freiheiten und Demokratie eine Ein-Mann-Diktatur verstehen, bleibt dem gegenüber natürlich nichts mehr zu sagen. 

Auf Seite 2, Absatz 2 des Haftbefehls heißt es: ”Kaypakkaya starb ein Jahr später in einem türkischen Gefängnis”. DieFolter, ein Massaker kann nur auf diese Weise heilig gesprochen, verharmlost und verteidigt werden. 

Ja, İbrahim Kaypakkaya war ein Kommunist, der sich mit der wissenschaftlichen Lehre des Marxismus-Leninismus-Maoismus identifizierte, sie verinnerlicht hat, hohe Ideale vertrat. Dies hatte er niemals verheimlicht, er hatte dies an jedem Ort und zu jeder Zeit zum Ausdruck gebracht. Er hatte sich zum Ziel gesetzt, die am Nabel des Imperialismus hängenden halbfeudalen, halbkolonialen Verhältnisse zu beseitigen, deren faschistische Staatsstruktur zu zerstören und die demokratische Volksrevolution zu verwirklichen. 

Das war sein Bestreben und er betrieb entsprechende Aktivitäten zur Organisierung. Dies wurde der revolutionären und sozialistischen Öffentlichkeit sowie in der Türkei Freund und Feind gegenüber verkündet. Die Versicherung hierfür stellt die Kommunistische Partei der Türkei/Marxistisch-Leninistisch (TKP/ML), deren Gründer er ist, dar.

Aus diesem Grund wurde Kaypakkaya zum Ziel der Klassenfeinde. Kaypakkaya wurde, nachdem er dem Feind in die Hände fiel, nach 90 Tage andauernder Folter in den Kerkern von Diyarbakır am 18. Mai 1973 unsterblich. Infolge der schweren Folter gab es an seinem Körper keine Stelle mehr, die nicht verletzt war, die keine Spuren von Gewalt zeigte. Seinem Vater Ali Kaypakkaya, der gekommen war, um den Leichnam von Kaypakkaya in Empfang zu nehmen, wurde in einem Sack ein zerstümmelter Leichnam übergeben, dessen sämtliche Knochen zerbrochen, all seine Zehennägel zerschnitten waren.

Während seine Mörder in Siegesgeschrei schwelgten, wurde Kaypakkaya gleich einem auf die Erde fallenden Samen zum Leuchtfeuer der Befreiung seiner Nachfolger und der geschundenen Völker der Türkei. Ihm gedachte und gedenkt unser Volk in seinen Klagegesängen, unsere Sänger in ihren Liedern, unsere Dichter in ihren Versen.

Diesen den Revolutionären, Demokraten, den progressiven, unterdrückten Völkern der Türkei bekannten Mord in den Worten ‘Kaypakkaya starb” zu formulieren, kommt der Verharmlosung der mit Polizeikugeln in der Türkei an Revolutionär*innen, Sozialist*innen, Patriot*innen in den Gefängnissen durch Folter und in den Straßen verübten Massaker gleich.

Gemäß Seite 2, Absatz 1 des Haftbefehls werden wir beschuldigt, uns 

“an einer Vereinigung im Ausland beteiligt zu haben, deren Zwecke und deren Tätigkeiten darauf gerichtet sind, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen”

Dass die Bundesanwaltschaft diesen Satz gleich in den ersten Zeilen der Anklageschrift unterbringt, ist plausibel. Die Absicht ist sehr offensichtlich, die Botschaft sehr klar: den Boden für eine Vollstreckung ohne Verfahren zu bereiten, zu zeigen, dass eine andernorts gefällte Entscheidung umgesetzt wird. 

Die Bundesanwaltschaft bemüht sich, den Senat und die Öffentlichkeit zu beeinflussen und zu steuern. Die Anklagebehörde ist von Rechts wegen zur Objektivität verpflichtet, über die Personen und Gruppen, gegen die sie ermittelt, muss sie Auskünfte einholen. Welcher der Menschen, die hier angeklagt werden, oder die TKP/ML, hat in Deutschland oder in Europa den Versuch unternommen oder die Straftat begangen, einen “Mord zu begehen, einen Menschen zu töten”? Gibt es dafür einen einzigen Beweis, Zeugen oder Beleg?

Auf Seite 16 des Haftbefehls heißt es: “In Europa existieren zudem der TKP/ML zuzurechnende Tarnorganisationen, die unter dem Dachverband ATIK zusammengefasst sind und unter anderem bei Demonstrationen und sonstigen politischen Versammlungen unter Verschleierung ihrer Anbindung an die TKP/ML öffentlich auftreten.“

 Die ATIK ist vor allem eine Demokratische Massenorganisation Sie als Tarnorganisation zu bezeichnen ist ein vergebliches Unterfangen. Einheimische und migrantische Revolutionäre, Sozialisten und die demokratische Öffentlichkeit kennen die Demokratischen Massenorganisationen sehr gut. Die Demokratische Massenorganisationen stellen eine transparente und demokratische Organisierung dar, in der jene, die in Europa, insbesondere in Deutschland in den ökonomischen und demokratischen Kämpfen aktiv sind, alle Antiimperialisten und Antifaschisten ihren Platz haben. 

Die demokratischen Massenorganisationen stellen eine der wichtigen Säulen hinsichtlich der Sicherung der Freiheiten sowie der Kontrolle der Macht in demokratischen Ländern bzw. Systemen dar. Auch wenn sie gemäß des Vereinsgesetzes eingetragen sind, sind sie autonom und unabhängig. Würden personelle Zuweisungen und Stellenbesetzungen auf Weisung des Staates erfolgen, wäre der Charakter der demokratischen Massenorganisationen fragwürdig. In diesem Fall könnte von demokratischen Massenorganisationen nicht mehr die Rede sein. Dann wären sie irgendwelche x-beliebigen staatlichen Institutionen.

Die demokratischen Massenorganisationen und die mit ihnen verbundenen Verbände sind im Vereinsregister der jeweiligen Länder eingetragen. Die intern hierarchisch organisierten Vereine, lassen ihre gewählten Funktionsträger und ordentlich gemeldeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Vereinsregister eintragen. Weder in Deutschland noch in Europa liegt auch nur ein einziges gegen die demokratischen Massenorganisationen und die mit ihnen verbundenen Verbände erlassenes Gerichtsurteil vor.

Angesichts der seitens des Imperialismus, der Staaten gegen die Arbeiterklasse gerichteten Rechtsverletzungen, der Politik der Diskriminierung, der Ausgrenzung, der Fremdenfeindlichkeit haben solche demokratischen Plattformen ihre Existenzberechtigung. 

So wie die herrschenden Kräfte zwecks Intensivierung der Ausbeutung, zur Steigerung der Profitrate sich in verschiedenen Formen organisieren, so ist es nur recht und billig, dass auch die Unterdrückten sich organisieren, ihre eigene Organisation bilden. Es ist der freie Wille des Individuums, sich solchen Zusammenschlüssen anzuschließen und in ihnen aktiv zu werden. Jeder Mensch, der der antiimperialistischen, antifaschistischen Satzung zustimmt, kann Mitglied werden und mitarbeiten. 

Die demokratische Massenorganisation kämpft gegen die Okkupation ökonomischer und demokratischer Rechte der Arbeiterklasse. 

Die demokratische Massenorganisation betrachtet die gewerkschaftliche Organisierung als legitim und fördert sie. In diesem Sinne verhält sie sich solidarisch in Streiks, bei Boykotten und Demonstrationen. 

Die demokratische Massenorganisation misst dem akademischen Kampf der Studentinnen und Studenten Bedeutung bei, sie unterstützt und organisiert ihn. 

Im Kampf gegen die faschistischen Angriffe auf Migranten steht die demokratische Massenorganisation solidarisch an der Seite von Deutschen und Migranten. 

Gegen die individualistische, reaktionäre Assimilationspolitik der imperialistischen Staaten vertritt die demokratische Massenorganisation die Position, dass die Völker ihre Kulturen, ihre Sprachen, Traditionen, Künste und all ihre Reichtümer leben können. 

Die demokratische Massenorganisation stellt sich gemäß ihres Charakters überall auf der Welt gegen imperialistische Kriege und entlarvt sie. Sie solidarisiert sich mit den Völkern, die aus Kriegen resultierenden Katastrophen, Massenmorden und Hunger ausgesetzt sind. Sie unterstützt den Widerstand im Kampf gegen imperialistische Kriege und solidarisiert sich mit ihm. 

Die demokratische Massenorganisation sieht es als ihre Aufgabe an, im Falle von Naturkatastrophen solidarisch an der Seite der Völker zu sein. 

Sämtliche Aktivitäten  und Veranstaltungen werden auf legaler Basis mit Genehmigung der Bezirksverwaltung, der Stadtverwaltung oder der Polizei durchgeführt. Sie macht jede ihrer Aktivitäten in ihrer Publikation und durch Flugblätter öffentlich. 

Von imperialistischen Staaten, die demokratische Rechte beschneiden, mit jedem ihrer Gesetze das Ausbeutungssystem zementieren, erwarte ich nicht, dass sie ATIK und ähnliche Organisationen mit Lobeshymnen überschütten. Das ist eine nachvollziehbare Situation, denn es sind zwei verschiedene Repräsentanten verschiedener Klassen; zwei verschiedenen Klassen, die um verschiedene Interessen kämpfen.  

In diesem Sinn ist die Klassifizierung als “Tarnorganisation” nicht nur unwahr, sondern ergibt auch aus Sicht der demokratischen Öffentlichkeit keinen Sinn. Dass die ATIK und ähnliche Organisationen im Vereinsregister eingetragen sind, heißt nicht, sie Institutionen des Staates sind. Wenn es so wäre, würde sie ihre Eigenschaft als demokratisch Massenorganisation verlieren. Die Demokratischen Massenorganisationen bestimmen aus freiem Willen ihr Programm und ihre Politik. Der demokratische Charakter einer Organisation ohne eigenen Willen, ohne die Fähigkeit, ihre Zukunft selbst zu bestimmen, die Claqueur des Staates ist, wäre zweifelhaft. Massenorganisationen ohne eigenen Willen, ohne demokratische Strukturen gibt es in autoritären, totalitären und faschistischen Staaten.

Auf Seite 20 , Abschnitt a des Haftbefehls heißt es:

” (…)der Beschuldigte (wurde) zu einem endgültigen Aufenthaltsverbot für das französische Staatsgebiet verurteilt; die dortige Strafvollstreckung ist noch nicht erledigt und es steht noch eine Strafrestverbüßung von 16 Monaten und 12 Tagen offen, hinsichtlich derer gegen den Beschuldigten Haftbefehl erging. Nach der Verurteilung in Frankreich entzog sich der Beschuldigte der dortigen Strafvollstreckung und kehrte in die Bundesrepublik Deutschland zurück (…)”. Auf Seite 44 desselben Dokuments heißt es: ”(…) (der Beschuldigte) entzieht sich bereits der Strafvollstreckung aus seiner (…) bereits erfolgten Vorverurteilung in Frankreich.”

Wenden wir uns angesichts solcher Behauptungen wieder der Zeit in Frankreich zu: 

Wenn dieser Zeitraum aufrichtig und gerecht betrachtet wird, wird man sehen, dass ich und Monate später meine Freunde, nur weil sie mir geholfen haben, ohne jegliche Beweise willkürlich festgenommen wurden. Und das am Ende herausgekommene Urteil ist bekannt. Nach fünfjährigen Ermittlungen kam kein Urteil heraus, das die Aktivitäten der  TKP/ML verboten hätte. Die gegen mich und meine Freunde verhängten Strafen entspringen gänzlich einem Urteil, das dazu dienen sollte, die Vollstreckung ohne Verfahren zu verschleiern. 

Das mit allen antidemokratischen Methoden und rechtswidrigen Mitteln geführte Verfahren wurde nach 10 Verhandlungstagen für die Urteilsverkündung für ca. 2 ½ Monate unterbrochen. 

Ein Verfahren, dass in diesem Maße rechtswidrig und unfair geführt wurde, hatte nunmehr seine Legitimät verloren. Dass am Ende eines solchen Verfahrens ein richtiges und faires Urteil herauskommen würde, war ausgeschlossen. Aus diesem Grund bin ich am Tag der Urteilsverkündung nicht zur Verhandlung erschienen. Meine Absicht war es, nachdem mir das Urteil bekannt geworden ist, einen juristischen Kampf zu führen. Aber leider hat mich mein Anwalt im Stich gelassen. 

Zullererst: Ich bin nicht geflüchtet. Nach meiner Haftentlassung stand ich 16 Monate lang unter der Aufsicht der Justiz und habe jede Woche meine Unterschrift geleistet. Nach 16 Monaten habe ich, um nach Deutschland zurückzukehren, einen Antrag gestellt. Dem Antrag wurde stattgegeben und ich bin daraufhin nach Deutschland zurückgekehrt. Kurz gesagt, von einer Flucht konnte hier nicht Rede sein. 

Zum Zweiten: Einige Zeit nach dem Urteil hatte mich die Bundesanwaltschaft in Darmstadt vorgeladen. Ich kann mich nicht an das Datum erinnern, aber ich war zum vorgegebenen Datum gemeinsam mit meinem Anwalt nach Darmstadt gefahren. Beim Gericht haben sie mir den Auslieferungsantrag Frankreichs vorgelesen und erklärt, da ich deutscher Staatsbürger sei, könnten sie mich ohne meine Zustimmung nicht ausliefern. Wir haben das Gericht anschließend um eine Bedenkzeit von zwei Wochen gebeten, um die Lage zu bewerten. Die zwei Wochen wurden uns gewährt und ein paar Tage später teilten sie mir schriftlich mit, dass sie mich nicht ausliefern würden. 

Wenn ich diesen ganzen Prozess betrachte, ist bei mir das Vertrauen geschwunden. In dem Fall, dass ich mich stelle, wäre ein Kampf auf juristischer Ebene unmöglich. Wenn du in der Haft bist, sind einem die Hände gebunden und du wartest einfach nur in Hilflosigkeit. Da ich in diesem Zeitraum dachte, ich müsste wegen der familiären Probleme bei meinen Kindern sein, habe ich mich nicht gestellt. 

Der seitens der Anklage ohne vorherige Nachforschungen erhobene Vorwurf, “er ist geflüchtet, um der Strafe zu entgehen”, ist eine riesige Manipulation und Irreführung.

Auf Seite 44 des Haftbefehls heißt es weiter: “(…) dass der Generalbundesanwalt seit längerem gegen ihn ermittelt. Dass er sich bisher trotz dieser Kenntnis nicht abgesetzt hat, steht der Annahme der Fluchtgefahr aber nicht entgegen.”  

Eine Sichtweise, die voller Widersprüche  und lachhaft ist. 

Wann bin ich denn darüber informiert worden, dass gegen mich ermittelt wurde. Das ist ein Punkt, der mich neugierig macht. Auf welchem Wege, mit welchen Mitteln soll ich informiert worden sein? Per Brief oder per e-Mail, telefonisch oder durch die Polizei? Oder wurde ich etwa von der Staatsanwaltschaft vorgeladen und in Kenntnis gesetzt? Ich bin kein Astrologe, ich bin nicht fähig, Nachrichten aus dem Jenseits zu empfangen! Wie soll es möglich sein, dass ich davon gewusst haben soll?

Und hier liegt der entscheidende Punkt. Wenn ich denn, wie die Anklage behauptet, Mitglied einer ausländischen terroristischen Vereinigung bin und hierfür Beweise vorliegen, weshalb schreitet sei dann nicht ein und stiftet mich stattdessen zu Straftaten an? Die Bundsanwaltschaft ist ihrer Schutzpflicht nicht nachgekommen, sie hat sich mitschuldig gemacht. 

Wiederum wurden der von der Bundesanwaltschaft vorbereitete Haftbefehl und die diesem Verfahren zugrundeliegende Anklageschrift vollständig auf den Berichten der Organe der faschistischen türkischen Republik, des Nationalen Nachrichtendienstes MIT, des Polizeiapparates sowie der Staatsanwaltschaft basierend erstellt. Die Verfasser dieses Berichts, Staatsanwalt Fikret Seçen, die Landespolizeidirektoren Ömer Köse und Yurt Atayün befinden sich heute auf der Flucht und werden wegen Mitgliedschaft in der Terrororganisation FETÖ gesucht. Laut türkischem Nachrichtendienst hat der Staatsanwalt in Deutschland Zuflucht gesucht.

Beharrlich werden die Berichte jener verantwortlichen Personen herangezogen, deren schmutzige Verbindungen, Intrigen, Betrügereien und Tricksereien mit dem 15. Juli zu Tage kamen.  Es ist unmöglich, die von diesen Personen über einzelne Menschen, Revolutionäre, Sozialisten und Patrioten erstellten Berichte ernsthaft als glaubwürdig in Betracht zu ziehen; es handelt sich hier um Personen, die bis gestern ihren Weg Arm in Arm mit der Regierungsmacht gegangen sind und in ihren Betrügereien keine Grenzen kannten. 

Wie ich anfangs bereits bemerkte, glaube ich nicht, dass die Methoden der vermeintlich unabhängigen Justiz und der Polizei sich besonders von den in der Türkei und Frankreich angewandten Methoden unterscheidet. Wenn die Aufgabe so verstanden wird, dass die von oben kommende Anweisung ohne Hinterfragung erfüllt wird, so ist die Anwendung des Unabhängigkeitsprinzips nicht möglich. Um die auferlegte Aufgabe oder die Anweisung zu erfüllen, ist jegliche Methode, jedes Mittel recht. In dieser Situation schwebt über den Unterdrückten, den ausgebeuteten Volksmassen, die in den Händen des Rechtsinhabers (die herrschenden Klassen) sind, das Schwert des Damokles. 

Der revolutionäre Kampf

Revolutionär zu sein, oder der revolutionäre Kampf selbst stellen keine Straftaten dar.  Der revolutionäre Kampf ist legitim, er kann nicht angeklagt werden. Dieses Verfahren, das heute hier geführt wird, wird auf Bestellung geführt und hat keine rechtliche Grundlage. Ich glaube, dass dieses Verfahren der Preis für die schmutzigen politischen, wirtschaftlichen und militärischen Beziehungen zwischen dem deutschen Imperialismus und der faschistischen türkischen Republik ist. Ich sagte schmutzige Beziehungen, denn diese Beziehungen dienen ausschließlich den Interessen der herrschenden Kräfte, welche keineswegs die Interessen und die Zukunft der Völker im Blick haben, ja mehr noch, sie bedrohen diese sogar. Diese Beziehungen bestehen seit Jahrhunderten, seit den Zeiten des Kaiserreichs bis heute. 

Vor hundert Jahren wurden während der Massaker an Armeniern und Kurden die osmanischen Banden von deutschen Offizieren ausgebildet. Heute kommen die von der türkischen Armee in Türkei-Kurdistan sowie im Irak und in Syrien eingesetzten Panzer und Waffen aus Deutschland. Wenn auch die Regierungen wechseln, so sind die Mörder doch dieselben. Wenn es auch schwer zu akzeptieren sein mag, so lässt sich die Wahrheit nicht verschleiern. Am 15. Juli 2016 hat der Faschist Erdoğan in einem Interview mit der ARD wie folgt eingestanden:

“Ich habe Frau Merkel 4000 Namen und Akten übergeben. Als ich nachfragte, sagte sie mir, die Ermittlungen würden laufen. Und jetzt gibt es noch 500 weitere Akten.”

Wie auch hier zu entnehmen ist, sind Revolutionär*innen, Sozialist*innen und kurdische Politiker*innen stets Gegenstand von Deals zwischen den beiden Staaten.

Dieses Eingeständnis war ein Anfang, eine Vorausschau auf weitere Deals mit dem Faschisten Erdoğan, die in Zukunft noch ans Tageslicht kommen werden. Erdoğan verfügt über ein solches Potenzial. Sein faschistischer Charakter wird bei jeder Gelegenheit offenbaren, dass er ein Erpresser und Lügner ist. Dessen können Sie gewiss sein. 

Das Schweigen des deutschen Imperialismus zu den Massenmorden und dem Völkermord in der Türkei und Türkei-Kurdistan ist das Ergebnis dieses Deals. Aus diesem Grund schweigt er zu den Angriffen, Festnahmen und Lynchkampagnen, die sich gegen Wissenschaftler*innen, Journalist*innen, demokratische Kräfte richten. 

Deshalb schweigt er dazu, dass die Berge, Dörfer, Flüsse, die historischen und kulturellen Relikte Türkei-Kurdistans aus der Luft und am Boden mit schwersten Waffen und Bomben vernichtet und dem Erdboden gleich gemacht werden. 

Diese Beziehungen haben ein derartiges Ausmaß an Besinnungslosigkeit angenommen, dass man nicht weiß, wo sie aufhören und was noch alles geopfert werden wird. 

Hierzu ein Beispiel: Er ist in der Lage, am 31. März 2016 den ZDF-Comedian Jan Böhmermann zu verklagen. Dabei strengen Erdoğan und sein Umfeld tagtäglich Verfahren dieser Art  gegen Künstler, Intellektuelle und Politiker an. Man kann sogar sagen, dass eine ganze Truppe von Staatsanwälten und Rechtsanwälten mit diesen Angelegenheiten Erdoğans beschäftigt sind.

Im Jahr 2016 gibt Erdoğan auf der Rückreise von Afrika noch im Flugzeug die Erklärung ab, Sevim Dağdelen und Cem Özdemir seien von  “minderwertigem Blut und minderwärtiger Rasse”

Wer sind denn Sevim Dağdelen und Cem Özdemir? Beide sind deutsche Staatsbürger und seit langer Zeit Abgeordnete im Bundestag. Im selben Zeitraum erwecken Staatspräsident Erdoğan und Außenminister Çavuşoğlu in ihren Erklärungen Hitlers Geist zum Leben, sie reden vom faschistischen Deutschland. Die Tatsache, dass von höchster Stelle auf die gegen das deutsche Parlament und die deutsche Identität offen geführten Angriffe keine Reaktion erfolgten und Bundeskanzlerin Merkel trotz allem Erdoğan anlässlich der Abstimmung zur Verfassungsänderung, der Kommunalwahlen und der Präsidentschaftswahl dreimal einen Besuch abstattete, zeigt, dass er von höchster Ebene unterstützt wird. 

Während seiner Amtszeit Erdoğans als Ministerpräsident wurden einer seiner Berater, Muhammed Taha Gergerlioğlu, sowie Ahmet Duran Y. und Göksel G. İn Koblenz angeklagt, geheimdienstliche Informationen im Auftrag der Türkei gesammelt zu haben. Ein Verfahren gegen drei Personen, die wegen sammelns von Informationen über Gegner des Staatspräsidenten und der AKP, in erster Linie über Kurd*innen, Alewit*innen und die Fethullah-Gülen-Gemeinde, im Auftrag des türkischen Geheimdienstes in Deutschland angeklagt werden, endete mit einer Einstellung. Auf diese Weise hat der deutsche Imperialismus seine Verbundenheit mit seinem Lakaien und sein Selbstverständnis, dessen Beschützer zu sein, offen gezeigt. 

Diese Situation hat mich nicht überrascht, denn diese sind auf Interessen und Vorteile aufgebaute Beziehungen. Wenn wir zurück zu unserem Thema kommen, so wurde mit der Entstehung der Klassen der Kampf zwischen der ausbeutenden herrschenden Klasse und der produzierenden, aber ausgebeuteten Klasse entfacht. Solange es Klassen gibt, ob wir wollen oder nicht, ob es uns gefällt oder nicht, ob wir es hinnehmen oder nicht, wird dieser Kampf weitergehen, bis die Klassen verschwinden. Dieser Kampf wird in seinem eigenen Verlauf seine eigene Organisierung und seine eigenen Vorreiter erschaffen. Der Aufstieg der Revolutionäre, Sozialisten und Kommunisten wird nicht durch Inhaftierung, Mord, Folter oder Zensur verhindert werden. Der Klassenkampf ist kein vom Wunschdenken gesteuerter, willensbestimmter Zustand, es sind die ökonomischen, politischen Bedingungen, die die Klassen erzeugen. Die Änderung dieser Bedingungen, die Aufhebung der Klassen ist der Gegenstand der Revolution. 

Die Art und der Charakter der Revolution wird durch die ökonomischen, politischen Bedingungen des jeweiligen Landes bestimmt. Zuallererst bedarf es der Existenz einer mit der marxistisch-leninistischen-maoistischen Ideologie gerüsteten Kommunistischen Partei. Und es bedarf der kommunistischen Kader. Der Klassenkampf bringt die Kommunistische Partei und die kommunistischen Kader hervor. So hat der Klassenkampf die TKP/ML und den kommunistischen Führer Kaypakkaya hervorgebracht. Trotz aller Hindernisse durch den Feind tragen die Nachfolger von Kaypakkaya die Fahne weiter.

Der Fortbestand der imperialistischen und kapitalistischen Staaten. und der unter ihrer Herrschaft stehenden reaktionären und faschistischen Marionettenstaaten führt zur Intensivierung von Ausbeutung, Zerstörung, ungerechten Kriegen, Massakern, Völkermorden, zum Abbau demokratischer Rechte. In diesem Prozess ist es eine zwingende historische Aufgabe und Verantwortung, Revolutionär zu sein, den revolutionären Kampf zu führen. Der revolutionäre Kampf, die revolutionäre Aufgabe ist Ehre und Stolz!

In der politischen Situation, in der wir uns befinden, in der durch die leugnerische, mörderische, Gleichschaltungsoolitik des türkischen Staates, bei jeder Gelegenheit das kurdische Volk von den anderen Nationen, Religionsgemeinschaften und Völkern separiert wird; in einer Region, in der brutale Angriffe gegen den demokratischen Kampf geführt werden, deren Sein durch Gewalt und Blut bestimmt wird, ist es legitim, Revolutionär zu sein, und im selben Maße ist es auch eine historische Aufgabe. 

In einer Region, in der Kriege, Massaker herrschen, extralegale Morde verübt werden, ist der revolutionäre Kampf Ausdruck der Menschenwürde. 

In einer Region, in der Ausgrenzung und Polarisierung Staatspolitik sind, ist der revolutionäre Kampf legitim.

In einer Region, in der die Existenz von nationalen Identitäten, Sprachen, Kulturen, unterschiedlichen Glaubensrichtungen geleugnet wird, ist der revolutionäre Kampf fundamental. 

Aus diesen Gründen ist die Haltbarkeit der imperialistischen, kapitalistischen und reaktionären faschistischen Staaten, die die Zukunft der Völker, die Natur und das Leben bedrohen, abgelaufen. Dieses verfaulte System abzuschaffen und an dessen Stelle ein neues, schönes zu setzen, ist eine historische Notwendigkeit.

Eine Verbindung zwischen Revolutionären sowie dem revolutionären Kampf und dem “Terrorismus” zu suggerieren ist nichts anderes als Demagogie, die ihresgleichen sucht. 

Diese Sichtweise legitimiert das imperialistisch-kapitalistische Ausbeutungssystem, die imperialistischen Kriege, den Staatsterror. Die unterdrückten Völker der Welt in Afghanistan, im Irak, in Libyen und in vielen Regionen, wie etwa  die des Mittleren Ostens, sehen, dass diese Rede vom “Terrorismus” reine Demagogie ist. Es liegt offen zu Tage, dass die Imperialisten und ihre Regionalen Stützpfeiler in den Regionen, in die sie mit lauten Rufen nach Frieden und Demokratie einmarschieren, nichts weiter als Blut, Tränen und Elend hinterlassen. 

In den Regionen, in die sie eindringen, hinterlassen sie Krieg, Zerstörung und Tod, zwingen die Menschen zur Flucht, von der niemand weiß, wie sie endet. Die vor dem Tod, dem Krieg, dem Elend und dem Hunger nach Europa flüchtenden Menschen werden auf ihrem Weg ermordet, ihr Hab und Gut zerstört. Auf der Flucht ist das Mittelmeer zum Friedhof geworden. Das Baby Aylin schaut aus dem Mittelmeer den Banditen, die sein Land bombadieren, in die Augen. 

Die türkische Republik und der Faschist Erdoğan schreien: “Wir hatten so und soviel Kosten, wir bieten so und soviel Flüchtenden Zuflucht”. Aber wie sieht die Wirklichkeit aus? Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London berichtet, dass syrische Unternehmer Milliarden Dollar in der Türkei investieren. In der Türkei arbeiten hunderttausende billige syrische Arbeitskräfte ohne Sozialversicherung. 

In den Lagern der Geflüchteten werden die Angehörigen der IS-Banden untergebracht, die Kinder werden bewaffnet und zu IS-Krieger ausgebildet. Verletzte IS-Krieger werden hier medizinisch behandelt und beschützt. 

Dadurch, dass aus Syrien kommenden Menschen in alewitischen und kurdischen Dörfern angesiedelt werden, soll die demografische Struktur der Region zerstört werden. Die faschistische Türkische Republik und Erdoğan setzen darauf, dass je mehr die demografische Struktur der alewitischen und kurdischen Dörfer zerstört wird, desto erfolgreicher ihre eigene Türkisch-Islamische Synthese sein wird. 

Die faschistische Türkische Republik und deren faschistisches AKP-Anhängsel ermordet unentwegt die revolutionären, sozialistischen Patrioten in Sur, Ankara, Cizre und Şırnak. 

Es ist eine revolutionäre Aufgabe, die universellen Menschenrechte zu verteidigen, die Brüderlichkeit der Völker der Welt und den proletarischen Internationalismus laut zu verkünden! Jeder gerechte und legitime Kampf gegen jegliche Reaktion, gegen Faschismus und profitorientierte imperialistisch-kapitalistische Kriege, Massenmorde, Völkermorde und Plünderungen ist ein revolutionärer Kampf. Revolutionär zu sein ist keine Straftat, der revolutionäre Kampf kann nicht angeklagt werden!

Die TKP/ML ist keine Terrororganisation

Die Befreiung der Völker, der Glaubensgemeinschaften, Frauen und LGDBT’s, die Beendigung der Naturzerstörung ist nur mit der Befreiung der Arbeit möglich. Hier stellt die kommunistische Partei den Ausdruck einer unvermeidlichen historischen Dynamik dar. Die TKP/ML ist die einzige Kraft und Repräsentantin der Türkei im internationalen Proletariat. Sie ist die politische Bewegung und die Partei, die sich in 

47-jährigem Kampf stets bewährt hat. Ihre Politik, die sie in der erforderlichen Verantwortlichkeit betrieben hat, ist in ihren Zielen und ihrer Perspektive der Revolution transparent. Ihre Transparenz und ihre Politik wurde von den Massen mit Zustimmung erwidert.  Ich denke, wenn dies nicht so wäre, könnten wir nicht von einer 47 Jahre währenden Geschichte des Kampfes reden. 

Die Wahrnehmung von “Terror und Terrorbekämpfung” hängt davon ab, aus wessen Perspektive sie sich vollzieht.  Der Umstand, dass eine politische Partei oder Organisation im jeweiligen Land verboten ist, bedeutet nicht, dass diese politische Partei oder Organisation eine “Terrororganisation” ist. Die Existenz solcher Verbote bedeutet, dass die Freiheiten und die Demokratie in diesem Land fragwürdig sind. In der Türkei von Demokratie zu reden, ist gleichsam ein orientierungsloses Vortasten im Dunklen. Die Türkische Republik hat vom Zeitpunkt ihrer Gründung bis zum heutigen Tag ihren faschistischen Charakter beibehalten. 

Kaypakkaya hat mit seiner Definition ‘Kemalismus gleich Faschismus’ einen klaren Strich zwischen sich und etlichen anderen politischen Strömungen gezogen. Die heutige Türkei bestätigt die Thesen Kaypakkayas. So wie irgendeine Vereinigung ihr Dasein durch ihre Organisierung ermöglicht, so hat die Kommunistische Partei das Recht, sich auf Grundlage der sie selbst erst ermöglichenden Bedingungen zu organisieren. Haben sich die Voraussetzungen und Bedingungen hierfür herausgebildet, so ist sie auf die Billigung durch Andere nicht angewiesen. 

Die Kommunistische Partei unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von anderen, von bürgerlichen Parteien. Naturgemäß verortet sie sich im Hinblick auf ihr Programm und ihre Ziele anders. Die Existenz der Kommunistischen Partei ist gleichbedeutend sowohl mit ihrem eigenen als auch mit  dem Verschwinden der  bürgerlichen Parteien. Die Kommunistische Partei kämpft im Kampf um die Demokratie mit anderen Kräften zusammen, im Interesse ihrer eigenen Klasse und im Interesse der Revolution. Die Kommunistische Partei kämpft im Grunde für ein Land ohne Klassen und ohne Ausbeutung, sie kämpft gegen den Imperialismus für die umfassende militärische, ökonomische und politische Unabhängigkeit ihres Landes. 

Die Kommunistische Partei ist offen für alle Formen des Kampfes, sie analysiert auf wissenschaftlichem Weg die sozio-ökonomische Struktur des Landes und unterscheidet auf dieser Grundlage die primären Kampfformen von den sekundären. 

In einem halbfeudal, halbkolonialen Land wie der Türkei vertieft die Kontinuität einer reaktionären, faschistischen Staatsstruktur die Widersprüche. Diesbezüglich gibt es in meinem Schlusswort Dutzende von Beispielen. 

Der Guerillakampf darf nicht ausschließlich als militärischer Kampf aufgefasst werden. Eine solche Bewertung würde der Natur des Guerillakampfes widersprechen und ihn nicht verstehen. Der Guerillakampf ist unter anderem der Neuaufbau der Gesellschaft in ökonomischer, politischer, sozialer, kultureller Hinsicht. Es der Kampf um die Neue Demokratie. Selbstverständlich ist es eine zwingende Notwendigkeit, das verkrustete, verfaulte, das keinerlei Versprechen auf die Zukunft darstellende Alte zu beseitigen und die neue demokratische Revolution durchzuführen. 

Die TKP/ML wurde vom kommunistischen Führer İbrahim Kaypakkaya und den kommunistischen Kadern seiner Zeit gegründet. Sie ist auf Grund der Marxistisch-Leninistisch-Maostischen Wissenschaft die Repräsentantin der Türkei innerhalb des Internationalen Proletariats. Mit ihrer Gründung hat sie ihre Ziele und ihr Programm der Öffentlichkeit vorgestellt. In jeder Phase des Klassenkampfes hat sie ihr politisches und taktisches Vorgehen mit der revolutionären, sozialistischen und demokratischen Öffentlichkeit sowohl in der Türkei als auch auf internationaler Ebene geteilt. 

Eines der wesentlichsten Ziele der TKP/ML ist es, die verfaulte, beschmutzte faschistische Türkische Republik, die ihr Ablaufdatum erreicht hat, mit revolutionärer Gewalt abzuschaffen und die Demokratische Volksherrschaft zu errichten. Dies ist gleichbedeutend damit, dass die Türkei als Teil des imperialistisch-kapitalistischen Ausbeutungssystems aus diesem herausgerissen wird und damit auch die internationalistische Aufgabe erfüllt wird. 

Auf Anweisung von Erdoğan und des deutschen Justizministeriums hat die Bundesanwaltschaft und die Polizei die TKP/ML für “terroristisch” erklärt und eine Operation in diese Richtung begonnen.

Wie ich zuvor schon sagte, die Einstufung als terroristisch findet in der Meinung der demokratisch, revolutionären Öffentlichkeit keine Entsprechung und dies wird definitiv auch künftig so sein. 

Keine Gehirnwäsche wird die Achtung, die beispielhafte Kampftradition der TKP/ML innerhalb der revolutionären, demokratischen und internationalistischen Bewegung jemals erschüttern können. Die Bemühungen des deutschen Imperialismus, das Ansehen der revolutionären, sozialistischen und kurdischen Revolutionäre zu zerstören und sie zu kriminalisieren, werden in der breiten deutschen Öffentlichkeit nicht auf Zustimmung treffen. Die Bundesanwaltschaft und die deutsche Justiz werden sich mit dieser Haltung  vor dem Gewissen der deutschen Öffentlichkeit verantworten müssen.

Seit Gründung der Republik reagiert dieses auf Gleichschaltung beruhende Verständnis auf Freiheiten, demokratische Kräfte, Revolutionäre und Sozialisten wie ein Stier auf das rote Tuch. Wenn wir an die durch Unbekannte verübten extralegalen Morde, die Massaker denken, ist es für Revolutionäre und Kommunisten selbstverständlich zwingend, ihre organisationellen Strukturen zu schützen. Die Kommunistische Partei wie auch die bürgerlichen Parteien müssen ganz offen ihre Kader und Aktivisten vor den Angriffen des Feindes und der zivilen Faschisten schützen. Siehe:

  • Die Ermordung der Gründer der TKP, Mustafa Suphi und seinen 14 Genossen, im Jahr 1923 durch ein von Mustafa Kemal vorbereitetes Attentat. 
  • Der unter der Folter ermordete kommunistische Führer Ibrahim Kaypakkaya.
  • Die Ermordung der Führer der revolutionären Bewegung der Türkei, Deniz Gezmiş, Mahir Çayan, Hüseyin İnan, Ulaş Bardakçı; der führenden Kader der nationalen Bewegung wie Mazlum Doğan und Haki Karer, sowie die Ermordung tausender weiterer Kader. 

Und angesichts Hunderttausender, die auf den Folterbänken verstümmelt wurden, machen den physischen Schutz aus Sicht der Revolutionäre und Kommunisten unumgänglich.

Der faschistische türkische Staat hat gemeinsam mit dem MIT und den zivilen Faschisten in verschiedenen europäischen Städten Revolutionär*innen, Sozialist*innen, kurdischer Politiker*innen angegriffen und ermordet. Diese Morde haben auch Eingang in die Archive der deutschen und europäischen Polizei gefunden.  Der überlegenen, mit bestem technischen Equipment ausgestatteten Polizei kommen plötzlich, wenn es um Revolutionär*innen, Sozialist*innen, kurdischer Politiker*innen geht, all ihre Fähigkeiten abhanden. 

Der MIT und zivile Faschisten ermorden Aktivisten der TKP/ML, Katip Saltan im Jahr 1981 in Aachen,  Nubar Yalım 1982 in Amsterdam; 2001 wird in Köln ein Anhänger der MLKP von zivilen Faschisten ermordet.

Am 9. Januar 2013 werden in Paris eine der Gründerinnen der PKK, Sakine Cansız, sowie die Aktivistinnen Fidan Doğan, Leyla Şaylemez vom türkischen MIT und kollaborierenden Banden ermordet.

Von diesen Morden weiß die europäische Polizei, insbesondere die französische, sie konnte oder wollte diesen Fall nicht aufklären.

Jene, die tausende Kilometer entfernte Länder bombardieren, die die verschiedensten furchtbaren Waffen, Raketen, Geschosse produzieren, um damit Frauen, Kindern, allen Menschen den Tod zu bringen; die die Menschen, die ihr Land auf der Flucht vor Krieg, Despotie und Hunger verlassen haben, in den Weiten des Mittelmeers dem Tod überlassen; die die Menschen, die nach Demokratie, Brot und Freiheit rufen, mit Tod überziehen; die Revolutionär*innen, Sozialist*innen, und Patriot*innen ermorden; die Menschen wegen ihres Glaubens lynchen, sind die größten Terroristen. Die Kommunisten und die TKP/ML, die für eine lebenswerte Welt kämpfen, sind nicht terroristisch.

ÜBER POLITIK UND REGIERUNG IN DER TÜRKEI

Ein kurzer Blick auf die Parameter der Politik in der Türkei beginnend beim Osmanischen Reich zur Gründung der Türkischen Republik bis heute wird zum Verständnis der türkischen Demokratie, des Staatsverständnisses, des Rechtssystems und der Justiz, hilfreich sein. 

Im Zeitalter der Dynastien, im Osmanischen Reich, wurde der Kampf um die Macht in aller Öffentlichkeit geführt, der Bruder tötete den Bruder, der Vater ließ den Sohn ertränken, Intrigen wurde gesponnen. Lassen wir die Frage, ob sich die Türkische Republik von den Genen des Osmanischen Reichs befreit hat, beiseite, vielmehr trägt sie selbst unweigerlich dessen genetischen Code in sich. In dem Bestreben, ein Staat unter einer Fahne zu sein, eine Sprache zu sprechen, einer Religion anzugehören, wurde versucht, einen dem angepassten Staat zu formen, eine dem entsprechende Politik zu verfolgen. Die mosaikähnliche Zusammensetzung der Türkei und ihre Realität wurden geleugnet.

In wirtschaftlicher Hinsicht wurde versucht, statt zu produzieren, die Existenz des Staates auf dem Rücken des Volkes zu sichern, anhand von Steuereinnahmen sowie der Besetzung und Plünderung anderer Länder mit Reiterarmeen, um so das Reich am Leben zu halten. 

Natürlich hat dies zu Erosionen geführt. In der letzten Phase des Osmanischen Reiches wurden diese Erosionslinien im Wesentlichen von der kurdischen Frage, der alewitischen Frage, den Armenier*innen, den in der Türkei lebenden Griech*innen sowie der mit ihrer Vernichtung konfrontierten nichtmuslimischen Bevölkerung gebildet. In den Jahren 1968-1970 trafen diese Bruchlinien schließlich auf die revolutionäre, sozialistische Bewegung und verschmolzen mit ihr. 

Bereits in den ersten Jahren der Republik wurden, um die Ausrufung einer angeblichen parlamentarischen Demokratie zu legitimieren, im Namen eines Mehrparteiensystems Scheinparteien gegründet und damit einhergehend die Oppositionellen ermordet. Es war Mustafa Kemal, der die zu der Zeit in Baku befindlichen Kader der unter der Führung von Mustafa Suphi gegründeten Kommunistischen Partei aufrief, in die Türkei zu kommen und hier ihrer Tätigkeit nachzugehen; kurz darauf ermordeten er und sein Schergen  Mustafa Suphi und seine vierzehn Genossen auf dem Schwarzen Meer. Mit den politischen Morden hat die Türkische Republik schon in ihren ersten Jahren gezeigt, was für eine  Demokratie und welcher Art Rechtsstaat sie war.

Mustafa Kemal nahm den Bandenführer Topal Osman (der hinkende Osman) an seine Seite und ließ mit seiner Hilfe Attentate auf die ersten oppositionellen Parlamentsabgeordneten verüben. Dies war bereits ein Hinweis auf die darauffolgenden Jahrzehnte, wo sich zeigen sollte, was für eine Demokratie und Rechtsstaat sie war. Nach Gründung der Türkischen Republik haben die türkischen Streitkräfte bis heute ihre Operationen fortgesetzt. Wenn die Armee, die in erster Linie für die nationale Sicherheit zuständig ist, mit der eigenen Bevölkerung Auseinandersetzungen führt, ist es ein riesiger Schwindel, hier von Recht und Gerechtigkeit zu reden. Soldaten und Armee haben ein ganzes Jahrhundert nicht etwa im Kampf gegen die Besatzung ihres Landes oder äußere Feinde zugebracht, sondern befanden sich mit der eigenen Bevölkerung im Kriegszustand. 

Dieser Zeitraum war der Beginn einer Entwicklung der Türkischen Republik, die schmerzhaft und repressiv war, gegründet auf faschistischer  Gewalt. Ein permanenter Zustand der Regierungsunfähigkeit und der Instabilität. 

Die 1920 gegründete erste Nationalversammlung hatte die Besonderheit, dass in ihr bereits die Möglichkeit zur regionalen Organisierung angelegt war und in der Geschichte der Türkischen Republik zu den Parlamenten zählt, die zumindest noch einen Rest demokratischer Elemente hatte. In diesem Kontext verfügte sie über eine Struktur, in der unterschiedlichen politischen Sichtweisen das Rederecht zugestanden wurde und es Möglichkeiten für abweichende Organiserungs- und Kampfformen gab. Eine sehr kurze Zeit später, zusammen mit der sich herausbildenden 2. Nationalversammlung erweiterte Mustafa Kemal, die Kriegssituation als Begründung anführend, die Befugnisse des Parlamentspräsidiums und säuberte das Parlament von den politischen Kräften, die nicht die Interessen der Großgrundbesitzer und der Kompradorenbourgeoisie vertraten. Damit gingen Repressionen gegen sozialistische und kommunistische Organisationen einher. Abgesehen davon kamen Vertreter des nationalen Bürgertums und Verfechter liberaler Weltanschauungen auch nicht ungeschoren davon. Mit der 2. Nationalversammlung verschwanden schließlich vollends die verbleibenen bürgerlich-demokratische Elemente. Die Großgrundbesitzer sowie die Kompradorenbourgeoisie haben im Grunde ihre politische Herrschaft in der Person Mustafa Kemals installiert. Nach der Gründung der Türkischen Republik im Jahr 1923 wurde mit der Verfassung von 1924 diese auf Gleichschaltung geeichte, faschistische Struktur fest etabliert. 

Mit der Verfassung von 1924 wurde dieser Zustand gekippt. Die regionalen Parlamente wurden entmachtet und die “Große” Nationalversammlung wurde zum bloßen verlängerten Arm der Exekutive degradiert. Von nun an ernannten der Staatspräsident und der Ministerpräsident die Regierungsmitglieder. Der Staatspräsident konnte zugleich Parteimitglied sein. Mustafa Kemal und İsmet İnönü waren jeweils zu ihrer Amtszeit als Staatspräsident Mitglieder der CHP. Beide konnten, wann immer sie wollten, den Ministerpräsidenten absetzen oder ihn zum Rücktritt zwingen.

Der  Zeitraum von der Republiksgründung im Jahr 1923 bis 1946 war die Phase des einen Mannes, des einen Chefs, des einen Führers und der einen Partei.  Mit der Teilnahme der Demokratischen Partei an den Wahlen des von 1946 begann die Zeit des Mehrparteiensystems. Obgleich die Demokratische Partei an der Regierung und Adnan Menderes Ministerpräsident war, nahm Celal Bayar an den Treffen teil. Und wenn es um strategische Entscheidungen ging, war Celal Bayar der wahre Führer der Partei. 

Die Verfassung von 1960 zwang den Staatspräsidenten aus der Partei auszutreten. Dies war der Beginn Ära der Staatspräsidenten mit militärischem Hintergrund. Von 1984 bis zur Özal-Regierung wurden ausschließlich ehemalige Militärs zum Staatspräsidenten gewählt. Bis 1988 wurden insgesamt siebenmal ehemalige Generäle zum Staatspräsidenten gewählt.

Die Türkische Republik wurde von ihrer Gründung bis 1946 von einem Mann, einem Führer, einer Partei regiert. So sehr in der Zeit nach 1946 auch ein Mehrparteiensystem existiert haben mag, so sehr standen die Regierungen unter der Überwachung der Militärs. 

Die Geschichte der Türkei war von 1946 bis 2016 gezeichnet von drei Militärputschen und etlichen Aufforderungen zum Rücktritt der Regierung. Mit dem Gegenputsch vom 15. Juli 2016 haben insgesamt vier militärische Staatsstreiche stattgefunden. 

Mit jedem Putsch, abgesehen vom 15. Juli 2016, wurde das Parlament aufgelöst, die Freiheiten und die Demokratien für Jahre außer Kraft gesetzt. Die zivilen Massenorganisationen, die Gewerkschaften, die Anwaltskammern, demokratischen Institutionen usw. wurden zerschlagen, deren Funktionäre festgenommen und gefoltert. Der blutbesudelte oberste General des Putsches von 1980, der Faschist Kenan Evren, fragte: “Sollen wir sie etwa durchfüttern statt sie zu hängen?”, woraufhin er Sozialisten und Kommunisten auf den Folterbänken ermordete, sie verstümmelte und bei minderjährigen Revolutionären, so geschehen mit Erdal Eren, das Alter heraufsetzen und am Galgen ihr Todesurteil vollstrecken ließ. Millionen Menschen wurden verhört, Millionen wurden auf schwarze Listen gesetzt. 

Nach dem Putsch vom 15. Juli wurde zwar das Parlament nicht außer Kraft gesetzt, aber die darauffolgende Zeit kam dem Volk der Türkei teurer zu stehen als der Putsch von 1980. 

Noch immer hält der Ausnahmezustand aus der Zeit nach dem 15. Juli an, das Land wird im Namen des Gesetzes mit Dekreten regiert. Millionen Menschen sind auf schwarze Listen gesetzt worden, hunderttausenden wurde ihre Arbeit und ihr Beruf genommen; tausende Intellektuelle, Journalist*innen, Wissenschaftler*innen, Künstler*innen usw. wurden inhaftiert. Zehntausende Revolutionäre und Patrioten wurden inhaftiert. Nachdem soviele Menschen festgenommen worden sind, dass die für 220.000 Menschen angelegte Kapazität der Haftanstalten überschritten wurde, veröffentlicht der Justizminister Ausschreibungen für den Bau neuer Gefängnisse.

In der Türkei gingen Politik sowie Militärs und Armee stets im Gleichschritt miteinander. Der Nationale Sicherheitsrat, neben seinen zivilen Mitgliedern bestehend aus  fünf Militärs und einem Unterstaatssekretär des MIT, die Regierungen und die Politik, agieren unter militärischer Kontrolle. Auch wenn zum Zweck einer vermeintlichen Zivilisierung der Verfassung von 1984 hier und da flickenartig Veränderungen vorgenommen wurden, wurde sie im wesentlichen beibehalten. Der Nationale Sicherheitsrat wurde in Nationaler Sicherheitsausschuss umbenannt, aber seine Aufgaben und Zuständigkeiten haben unverändert Bestand. Der Nationale Sicherheitsausschuss ist in der Politik zur entscheidenden, bestimmenden Kraft geworden. 

Der erste Schritt zur Bildung der Nationalen Sicherheitsorgane in der Türkei erfolgte im Jahr 1933 per Erlass  mit der Gründung des Hohen Verteidigungsrats, dessen wesentliche Aufgabe die nationale Mobilmachung war. Die hier thematisierte Struktur durchlief parallel zur Herausbildung einer bestimmten Auffassung von Sicherheit eine Entwicklung, aus der schließlich die Verfassung von 1982 und der Nationale Sicherheitsrat hervorgegangen ist. 

Mit dem Hochschulgesetz Nr. 2547 und der Ernennung von Prof. Dr. Ihsan  Doğramacı als Vorsitzenden wurde am 6. November 1981 der Hochschulrat (YÖK). gegründet und damit die Universitäten in Militärkasernen umgewandelt. 

Noch bevor dieses Hochschulgesetz vom Parlament bestätigt wurde, wurde es unter den Schutz der Verfassung von 1982 gestellt und in Kraft gesetzt. Die freie und unabhängig wissenschaftliche Ausbildung wurde kaltgestellt und auf eine gleichgeschaltete Zukunft abgezielt, die auf starke nationale und religiöse Gefühle gestützt sein sollte. Der Faschismus hat sich in der Geschichte stets vor einer frei denkenden, hinterfragenden, kreativen dynamischen Jugend gefürchtet und ihr die gleichgeschaltete Bildung aufgezwungen. 

Die Türkische Republik hat seit ihrer Gründung im Jahr 1923 bis heute in 94 Jahren 67 verschiedene Regierungen durchlaufen. Das heißt, sie hatte alle eineinhalb Jahre eine andere Regierung. Das zeigt in groben Zügen, wie stark die Politik der Türkei institutionalisiert und wie instabil sie zugleich ist. 

In der Verfassung der Türkischen Republik aus dem Jahr 1924 ist sogar das Wort “Arbeiter” verboten, ganz zu schweigen von Begriffen wie “linke Parteien” oder “Gewerkschaften”. Es hieß darin, dass selbst Arbeitervereine nicht gegründet werden dürften. Die Parole des Kemalismus “Wir sind eine eingeschworene Masse, ohne Privilegien und ohne Klassen!” ist gleichbedeutend mit der Versklavung der Arbeiterklasse, dem Entzug ihrer Rechte und Freiheiten. 

In der Geschichte der Türkische Republik wurde die Regierung des Nationalstaats zur Regierung eines besonderen Krieges, deren grundlegendes Prinzip der türkische Staat, die türkische Sprache, die türkische Fahne und die türkische Kultur bilden. 

Deshalb hat sie permanent Feinde erkoren und Verhaftungen, Folter, Verbannung, Hinrichtungen, kulturell bedingte physische Massaker, Assimilation und Völkermord als Methode entwickelt.  

Die Vergangenheit ist der Spiegel hiervon. Abweichende Religionen und Glaubensrichtungen wurden zu Verirrungen erklärt. Kurd*innen, Alewit*innen, Araber*innen, Laz*innen, Tscherkess*innen, Armenier*innen, in der Türkei lebende Griech*innen wurden stets ausgegrenzt. Sie wurden verflucht, verachtet, ihre Identität wurde verleugnet, sie wurden zwangsassimiliert. Die, die sich assimilieren ließen haben sie assimiliert; die, die sich in die Knie zwingen ließen, haben sie in die Knie gezwungen. Die, die gegen die Verleugnung, Assimilation, Missachtung Widerstand geleistet haben, wurden in den Folterkellern, auf den Schlachtfeldern des Widerstandes ermordet oder ins Exil verbannt. Dieser Zustand setzt sich auch heute mit aller Kraft fort.  

Am 24. April 1915 erklärt der damalige Innenminister Mehmet Talat: “Gemäß der der Beschlüsse des 24. April 1915 wird die Schließung der Armenischen Komitees, die Verhaftung ihrer Anführer und die Beschlagnahme all ihrer Dokumente verfügt.”

Am 24. April 1915 werden auf einen Runderlass hin 235 armenische Komiteemitglieder festgenommen und nach Armenien verschickt; anschließend werden 2500 armenische Politiker, Schriftsteller, Intellektuelle, Dichter, Geistliche und Geschäftsleute festgenommen und ermordet. 

Dies war der Beginn der Völkermorde an Armeniern, syrischen Christen, nichtmuslimsichen Völkern. Während der Ermordung von eineinhalb Millionen Armeniern, syrischen Christen und Nichtmuslimen wird ihr Grund und Boden, ihr Eigentum, ihr Vermögen geplündert. 

Die Mordserie kennt kein Innehalten mehr. Im Jahr 1936 wurden das TKP-Mitglied Salih Boz Işık, 1949 der Schriftsteller Sabahattin Ali ermordet. Dieser Prozess fand seinen seinen Höhepunkt Mitte der 90er Jahre mit den Morden ohne Täter, einschließlich der Todesfälle im Polizeigewahrsam, mit der Ermordung von 17000 kurdischen Politiker*innen, Künstler*innen, Journalist*innen, Volkssänger*innen, Schriftsteller*innen, Sozialist*innen, Revolutionär*innen und Kommunist*innen. 

Die durch den Staat zum “Täter” und “Feind” erklärten Gruppen und Personen werden zu Feinden und damit zu Zielen erklärt, deren Tötung eine Notwendigkeit darstellt. In den Tagen des 6. und 7. September 1955 werden in vielen Städten, vor allem in Istanbul, in der Türkei lebende Griech*innen, Armenier*innen und Nichtmuslime unter “Allahu-Akbar” und “Allah- Allah”-Rufen gelyncht und ausgeraubt, ihre Häuser, ihr Hab und Gut  geplündert. 

1978 in Maraş, 1980 in Çorum, 1993 in Sivas und im Istanbuler Stadtteil Gazi wurden von seiten staatlich unterstützter Faschisten und reaktionären Glaubensfanatikern Massaker an Alewit*innen verübt. Obwohl die Massaker bereits Monate vorher absehbar waren, wurde ihnen Unterstützung gewährt, indem keinerlei Maßnahmen dagegen getroffen wurden, in keiner Weise eingeschritten wurde. In Maraş wurden schon Tage vorher die Häuser der Alewiten als Ziele markiert. In Sivas wusste man schon Monate zuvor, dass sich Sänger*innen, Dichter*innen und Alewiten im  Hotel Madımak versammeln würden. Die Stadtverwaltung von Sivas erklärte, die Versammlung der Alewiten müsse verhindert werden, koste es was es wolle. Und trifft bereits Wochen vorher entsprechende Vorbereitungen. 

Das Hotel Madımak wird an dem Tag, an dem sich dort die Alewiten versammeln, unter “Allahu-Akbar” und “Allah- Allah”-Rufen in Brand gesteckt. Unter den Augen von Soldaten und Polizei werden im brennenden Hotel auf diese Weise die Künstler*innen, Schriftsteller*innen und Alewiten ermordet. Dass die Opfer die damalige Regierung telefonisch erreichten und die Regierung trotz aller Hilferufe schwieg, ist ausreichend belegt. Als Opfer des Brandanschlags die Möglichkeit hatten, aus dem Hotel zu entkommen, wurden sie von den reaktionären Banden sowie Mitgliedern der Büyük Birlik Partei (Partei der Großen Einheit; Anm.d.Ü.) daran gehindert. 

Ich möchte nun die Vertretung der Anklage und den Senat fragen: Wissen Sie, welches Trauma die Ermordung von Menschen durch ihre Verbrennung haben kann? Wissen Sie, was es für ein Gefühl ist, wenn während der Ermordung, Soldaten, der Staat und die örtlichen Behörden zuschauen?

Dieses Gefühl, diesen Schmerz kennen die jüdischen Bürger, die der Tyrannei Hitlers zum Opfer fielen, die in den Gaskammern barbarisch getötet wurden, deren Zähne und Nägel herausgerissen wurden. Nicht das Mahnmal in Berlin, nicht einmal ein Monument in Gold würde ihren Schmerz lindern. 

Die wichtigsten ungelösten Dilemmata der Türkischen Republik sind die kurdische Frage und die Demokratisierung. Bei jeder Gelegenheit sind kurdische Politiker, Revolutionäre und Sozialisten im Fadenkreuz des Staates gewesen. Der türkische Staat hat seit den ersten Tagen der Republik Hetzjagden auf Oppositionelle, Kommunist*innen, Sozialist*innen und Kurd*innen betrieben. Der mit der Ermordung von Mustafa Suphi und seiner Genossen beginnende Faschismus hat in den 70er Jahren Deniz Gezmiş, Hüseyin İnan und Yusuf Aslan an den Galgen gebracht, İbrahim Kaypakkaya unter der Folter ermordet, in Kızıldere Mahir Çayan  und seine Genossen sowie hunderte Revolutionäre getötet.

Der 1. Mai, Tag der Einheit und Solidarität der Arbeiterklasse, der 8. März, der Welttag der werktätigen Frauen, wurden mal verboten, mal zum offiziellen Feiertag erklärt, mal wurden die Feierlichkeiten untersagt. Überdies wurden noch die Errungenschaften der Werktätigen der Welt geleugnet. Trotz aller Verbote sind die verschiedenen Völker der Türkei für diese Werte eingetreten. Die faschistische Türkische Republik hat diese Veranstaltungen jedesmal angegriffen, Provokationen inszeniert und gemeinsam mit zivilen faschistischen Banden Lynchkampagnen betrieben. Im Jahr 1977 feierten auf dem Taksim-Platz in Istanbul fünfhunderttausend Menschen den 1. Mai. Sie wurden von Polizei und Konterguerillaeinheiten, die auf den Dächern der umliegenden Hochhäuser postiert waren, beschossen; 35 Menschen wurden dabei getötet, hunderte verletzt und verstümmelt. In den folgenden Jahren wurden dutzende Menschen auf den Kundgebungsplätzen des 1. Mai ermordet und verstümmelt. 

Die Errungenschaften der Werkätigen der Welt, ihre Werte, der 1. Mai, der 8. März wurden verboten oder zugelassen und ständig kriminalisiert. 

Die Gewerkschaftsorganisationen, die im Kampf der Arbeiterklasse für Rechte und Freiheiten einen wichtigen Platz einnehmen, wurden mit Verboten drangsaliert, überwacht; die, die sie nicht durch die Nähe zur Macht kontrollieren konnten, haben sie geschlossen, ihr Vermögen beschlagnahmt und ihre Mitglieder festgenommen. In den Betrieben haben die Arbeitgeber mit Hilfe von Polizei und zivilen Banden durch Repressionen die Gewerkschaftsarbeit und Mitgliedschaften verhindert. 

Die Geschichte der Türkischen Republik ist eine Geschchte der Massaker an Arbeiter*innen. In Folge des Fehlens sicherer Arbeitsbedingungen sowie fehlender Vorsorgemaßnahmen für die Arbeitssicherheit werden jedes Jahr hunderte Arbeiter*innen getötet. Die Todesopfer im Kohlebergwerk Soma sind hierfür ein konkretes Beispiel. Weil an Sicherheitsmaßnahmen gespart wurde, wurden 301 Grubenbeschäftigte getötet. Eine Vielzahl von Arbeiter*innen sind durch herabgestürzte Baustellenaufzüge gestorben, jedes Jahr werden hunderte Arbeiter*innen durch Arbeitsunfälle in Werften und Fabriken getötet oder tragen schwerste Behinderungen davon. 

Durch das unbedingte Streben nach immer höheren Profiten zu möglichst geringen Kosten werden Arbeitsunfälle verursacht. Kein Tag vergeht ohne Arbeitsunfall, vergeht, ohne dass Arbeiter*innen sterben. 

Die Opfer der Arbeitsunfälle, die lebenslängliche Behinderungen davontragen, die Angehörigen der Toten werden im Kampf um ihre Rechte von Polizei und Gendarmerie gehindert. Oder aber die Beweise und Belege werden seitens der Staatsanwälte vertuscht. Die angesichts dieser Morde seitens der Regierungs- und staatlichen Repräsentanten abgegebenen Erklärungen, wie etwa “das ist Schicksal, Gottes Fügung, dem Schicksal kann man nicht entkommen”, sind dafür besonders anschauliche Exempel. Es ist doch interessant, dass die Betriebe, in denen die Arbeitsunfälle geschehen, über enge Beziehungen zur Regierung verfügen. Aus diesem Grund ist es noch schwieriger, dagegen zu klagen und Verfahren zu führen. 

Seit 6-7 Jahren führen die Opfer von Soma einen Kampf auf dem “Rechtsweg”, bis heute haben sie nichts erreichen können. Die Angehörigen snd nicht in der Lage, die Kosten des Rechtsstreits aufzubringen. 

Die Türkische Republik, die in Sachen Tötung von Arbeiter*innen den ersten Platz einnimmt, hat ihn auch in Fragen der Tötung von Frauen und Kindern fest in der Hand und gibt ihn nicht her. Da Menschenleben keinen Wert haben, wird sich auch nicht um die Toten geschert.  Der die herrschende männliche Sichtweise vertretende faschistische türkische Staat legt auch in Fragen der Ermordung von Frauen ehebliche Tugenden an  den Tag. Jährlich werden um die 500 Frauen aus verschiedenen Gründen ermordet. Statt Maßnahmen dagegen zu ergreifen, vermögen der Staat und seine Institutionen gar noch Erklärungen abzugeben, die diese Verhältnisse befeuern.

Ein Beipiel: Die Bürgermeister von Balıkesir und Samsun verteilen Broschüren, in denen es heißt, dass Frauen geschlagen werden können, wenn man auf das Weichgewebe zielt. Für Frauen ist eine bestimmte Art der Kleidung, das nächtliche Ausgehen ab einer bestimmten Uhrzeit haram, also sündhaft. Die Stadtverwaltung von Malatya hat eine Frauen vorbehaltene rosa Buslinie in Betrieb genommen. 

Der 15. Juli hat das nahende Ende des türkische Staates und der Armee in seiner ganzen Blöße offengelegt. So sehr die Regierung versucht, Fetullah Gülen dafür verantwortlich zu machen, so sehr die regierungsnahen Medien versuchen, durch manipulative Berichterstattung das Problem anhand der  FETÖ als abschließend geklärt darzustellen, so wenig lassen sich die Realitäten übertünchen.

Eine Armee, die seit ihrer Gründung Gewalt, Repression, Tyrannei als Mittel zur Lösung ansieht und des Sinn ihrer Existenz im Kampf mit dem Volk der Türkei sieht. Eine Armee, die zum Zweck der nationalen Verteidigung  gegen Bedrohungen von außen gebildet wurde, befindet sich im ständigen Angriffsmodus gegen das eigene Volk. Selbstverständlich hat dieser Zustand einen Prozess der Verschmutzung und Verfaulung vom Kopf bis zu den Füßen herbeigeführt. Eine Armee und eine Polizei, die die Waffen auf das eigene Volk richtet,  fällt unvermeidlich der Beschmutzung und Verfaulung anheim. 

Politische Ausrichtungen, die an der politischen Front nicht in der Lage waren, das Problem der Gleichschaltungsideologie zu lösen, die einer ausgrenzenden, leugnerischen und diskriminierenden Linie gefolgt sind, haben die Gewalt nur weiter angefacht. Die faschistische Diktatur hat in den 2000er Jahren die Suche nach friedlichen und auf Kompromissen beruhende Lösungen in der kurdischen Frage im Sinn ihrer imperialistischen Interessen gestaltet. Damit wurde die Kapitulation der kurdischen Bewegung, die Reduzierung der kurdischen nationalen Rechte auf minimale Überbleibsel, dadurch schließlich die Brechung der kurdischen Widerstandsbewegung zum eigentlich Zweck der Lösungsbestrebungen. Lassen wir mal überhaupt die Fähigkeit zur Lösung der kurdischen Frage beiseite, das Ziel war die Auflösung des kurdischen Widerstands schlechthin. Derweil die Rede vom Prozess des Friedens und der Kompromisse war, wurden die Kurd*innen massenhaft verhaftet, deren Stadtverwaltungen einkassiert und unter Zwangsverwaltung gestellt, die Verwaltungsangestellten wurden ins Gefängnis geworfen. Damit einhergehend wurden die Einschränkungen all ihrer legalen politischen Möglichkeiten und die Repressionen fortgesetzt. Dies wurde von umfassenden militärischen Operationen begleitet, trotz all des Geredes von “Waffenstillstand, Frieden und Kompromissen”.

Jedesmal hat das Regime einen Prozess der Lösung sabotiert, hat es den Verhandlungstisch umgestoßen und auf den Weg der Gewalt bestanden. Es hat im Sumpf der Korruption, der Plünderung und des Diebstahls das Land an den Rand des Abgrunds geführt. Die Regierung, die angeblich kein Geld vom IWF haben will, verschuldet sich bei der inneren und äußeren Finanzlobby und versucht so, das Rad in Bewegung zu halten. Wenn gar nichts mehr geht, bettelt sie ihre muslimischen Brüderstaaten um Geld an. So wurde beispielsweise als Gegenleistung zu den bei Katar aufgenommenen Krediten eines der profitabelsten Unternehmen der Türkei, Türkcell, an Katar verkauft.

Die in den Gründungsjahren der Republik gegründeten Zucker- und Zigarettenfabriken wurden für ein Appel und Ei verkauft. So wurden die Einkommensquellen des Staates nach und nach an die Herrschenden und die Imperialisten verscherbelt. Arbeiter*innen, die Jahre ihres Lebens gegeben haben, wurden von einem auf den anderen Tag arbeitslos. Wie ihre Vorväter, die Osmanen, küssen sie, wenn sie Geld brauchen, den Imperialisten die Füße – wie zum Schluss beim Britischen Königreich – oder, wie es zuletzt bei der Corona-Spendenkampagne geschah, erfinden sie neue Kampagnen und drücken dem Volk den Hals zu. Die Türkei befindet sich im Dreieck zwischen Plünderung, Korruption und Diebstahl in einem totalen Sumpf.

Seit dem Militärputsch von 1980 bis heute besteht eine Kriegssituation, die noch keinen Namen hat. Die türkische Armee erleidet durch die Guerilla, die seit Mitte der 80er Jahre den Widerstand organisiert hat, ständige Verluste, angesichts dessen verschärfte sie den schmutzigen Krieg, der gegen die Kriterien der Vereinten Nationen für die Kriegsführung verstößt. 

Bedauerlicherweise hat keine Methode dazu geführt, die türkische Armee vor Verschmutzung und Verfaulung zu bewahren. Als die türkische Armee die Niederlage, die ihr Anfang der 1990er Jahre zugefügt wurde, nicht verkraften konnte, haben sie die Gliedmaßen von den Leichen der von ihnen getöteten Guerillakämpfer abgetrennt und daraus Gebetsketten gemacht. Sie ließen sich mit dem Stiefel auf den Köpfen der gefallenen Guerillakämpfer fotografieren und verbreiteten diese Bilder in der Öffentlichkeit.

Die Gliedmaßen der gefallenen Guerillakämpfer abzutrennen, daraus Gebetsketten zu machen, sich über dem toten Körper ablichten zu lassen …, welch ein Geist macht sowas? So einfach die Erklärung dafür ist, so schwierig ist sie auch. Aus der Perspektive menschlicher Werte ist es schwer zu erklären. Aber ein verdorbener Geist, von Blut genährt, das das Spiel nicht nach den Regeln spielt, macht es erklärbar. Dieser geistige Zustand hat bei jedem neugeborenen kurdischen Kind den Geist des Widerstands, das Bewusstsein, Rechenschaft einzufordern, geformt.

Der psychische und geistige Zustand, den die türkische Armee mit dem Putsch vom 15. Juli erreicht hat, ist symptomatisch. Ob dies im Auftrag der FETÖ-Putschisten geschah, oder durch jene, die es im Namen des Regimes getan haben; dass Armeeangehörige auf die Menschen schießen, sie aus der Luft mit Marschflugkörpern und Raketen beschießen, mit Panzern auf sie losgehen, dass Menschen die Kehle durchgeschnitten wird …, es ist ein Zustand, der nur schwer zu beschreiben ist. 

Dieser geistige Zustand ist Barbarei und Brutalität in Reinform, bar jeglicher menschlicher Werte. Es ist interessant, dass sich beide Seiten unter Allahu-Akbar-Rufen gegenseitig an die Gurgel gehen und umzubringen versuchen. “Allah Allah” rufend mit  “Allahu Akbar” Allahs Größe zu preisen, ist im Islam der Ruf zur Schlacht. Das auf ATV gesendete Interview Major Barış Dedeoğlu legt diesen geistigen Zustand und die Realität in aller Blöße offen. 

Kurz, dies ist exemplarisch hinsichtlich dessen, was eine Armee in solch einer geistigen Verfassung den als Feinde angesehenen Revolutionär*innen, Sozialist*innen, nationalen Befreiungskämpfer*innen und dem kurdischen Volk anzutun imstande ist. Türkei-Kurdistan ist mit seiner Geschichte, Kultur, seinen Menschen zum Ziel von Bomben und Geschossen aus der Herstellung imperialistischer Länder wie Deutschland, USA, Frankreich u.ä. geworden. Die Vereinten Nationen, die Europäische Union, der deutsche Staat sind zu Mittätern des schmutzigen Krieges und der Barbarei der Türkei geworden, indem sie angesichts der aus den Kellern Türkei-Kurdistans kommenden Schreie tatenlos zusehen, sie nicht wahrnehmen wollen. 

Von den Gründungstagen der Türkischen Republik bis heute bewegen sich die zivile Politik und deren militärische Vormundschaft miteinander im Gleichschritt. Die Geschichte der Türkei ist eine Geschichte militärischer Putsche, Rücktrittsmemoranden und Interventionen. 

In der Geschichte der Türkischen Republik hatten bis 1989 sieben gewählte (ich sage dazu “ernannte”) Staatspräsidenten einen militärischen Hintergrund. In der Türkei ist der aus Militärs und Zivilpersonen zusammengesetzte Nationale Sicherheitsrat zum Teilhaber der Regierung, der Macht geworden; wenn auch seine Bezeichnung später in ‘Nationaler Sicherheitsausschuss’ geändert wurde, so blieb seine Funktion doch unverändert. 

In der Geschichte der Türkischen Republik trifft man ebenso auf eine Vielzahl extralegaler, bandenmäßiger Organisationsstrukturen des tiefen Staates. 

Eines der offensichtlichsten Beispiele hierfür ist ein Verkehrsunfall zwischen einem LKW und einem Mercedes im Jahr 1996 in Susurluk, durch den das Beziehungsgeflecht zwischen Mafia, MIT und Politik zutage gekommen ist. 

An diesem Unfall beteiligt war der Mafiapate Abdullah Çatlı. Er kommt aus der Jugendorganisation der MHP und hat in Ankara sieben Mitglieder der Arbeiterpartei der Türkei (TİP) in ihren Wohnungen stranguliert. Er war Mitglied eines Mordkommandos, das der Generalstabschef des Putsches von 1980 nach Europa entsendet hatte, um armenische Militante und revolutionäre Sozialisten zu töten; 1981 tötete dieses Kommando in den Niederlanden Nubar Yalım. Es hatte auch das Attentat auf den Papst organisiert.

Die zweite an dem Verkehrsunfall beteiligte Person war der damalige Generalpolizeidirektor Kemal Yazıcıoğlu.

Die dritte Person war der DYP-Abgeordnete für die Provinz Urfa, Sedat Bucak. Er ließ drei gefangene PKK-Angehörige vor einen Mähdrescher werfen. 

Diese und ähnliche Strukturen gibt es seit jeher, wenn sie öffentlich wurden, wurden sie von den Regierenden oder den Polizeisprechern mal verteidigt, mal geleugnet. Die Frage ist nicht, aus welchem Grund diese Leute sich organisiert haben. 

Wichtig ist, dass die Personen, die Teil dieser Strukturen sind, Positionen innerhalb des Sicherheitsapparates, der Justizbehörden, der Armee, der Politik und einer Vielzahl  weiterer staatlicher Institutionen innehaben. Weiterhin ist von Bedeutung, dass diese Banden, diese extralegalen Organisationsstrukturen unter der Kontrolle des Staates, der Regierung vor allem Revolutionär*innen, Sozialist*innen, kurdische Politiker*innen, Alewit*innen, Intellektuelle, Journalist*innen, oppositionelle Unternehmer*innen ermordet haben; sie haben Menschen entführt und extralegale Hinrichtungen durchgeführt. 

Wie stets hat der faschistische türkische Staat nach dem Putschversuch vom 15. Juli als Verantwortliche für diese Taten die FETÖ präsentiert. 

Weder die faschistische Regierung noch die früheren faschistischen Regime können ihre politische Verantwortung für diese Massaker, Morde, das Abfackeln von ganzen Dörfern vertuschen. So wie sie auch für die Massaker 1938 in Dersim, für die Angriffe am 6. und 7. September 1955 auf die Armenier, für die Massaker von Maraş, Sivas und Gazi, in erster Linie also Staat und Regierung, die politische Verantwortung tragen. 

Die Mörder der bei den Massakern von Suruç, Ankara, Cizre, Nusaybin, Hakkari, Diyarbakır, Van und zahllosen anderen Städten und Stadtteilen, der in Kellern ermordeten Menschen, der Alten, Jungen, Frauen und Männer sind die faschistische AKP und Tayyip Erdoğan.  

Für die Morde am Journalisten und Schriftsteller Hrant Dink und den Menschenrechtler und Vorsitzenden der Anwaltskammer Diyarbakir, Tahir Elçi, sind die faschistische AKP und Tayyip Erdoğan verantwortlich.

Der Faschist Erdoğan konnte den Erfolg der HDP, die bei den Wahlen vom 7. Juni 2015 rund 13 % der Stimmen erhielt, über die 10%-Hürde kam  und ins Parlament einzog, nicht hinnehmen und erzwang mit Hilfe von Morden und Manipulationen 4 Monate später die am 1. November 2015 abgehaltenen Neuwahlen.

Um sie am Wahlerfolg zu hindern, wurden die Kundgebungen, Büros, Wahlkampfaktivitäten der HDP zum Ziel von Angriffen, die gemeinschaftlich von AKP, MİT und DAİŞ (IS; Anm. D. Ü.) durchgeführt wurden. 

Trotz Repressionen, Manipulationen und Angriffe gelang es der HDP, die 10%-Hürde zu überwinden und kam als drittgrößte Partei ins Parlament. Dies war unter anderen der Erfolg der Revolutionär*innen, Sozialist*innen, kurdische Politiker*innen, Alewit*innen, Ezid*innen, Armenier*innen, Laz*innen, Intellektuellen, Journalist*innen, oppositionellen Unternehmer*innen sowie der demokratischen Kräfte der Türkei. 

Jedoch haben der Geist der Gleichschaltung, die stets jegliche Lösungsansätze im Keim erstickende faschistische AKP und Tayyip Erdoğan, mit Unterstützung der faschistischen MHP und der faschistischen CHP, anhand der von ihnen erlassenen Putschgesetze die Immunität der HDP-Abgeordneten aufgehoben. Die Soldaten, Polizisten und politischen Verantwortlichen, auf deren Befehl Dörfer und Kleinstädte zerstört und abgefackelt, Zivilpersonen in Kellern ermordet wurden, wurden per Gesetz mit Immunität ausgestattet. Und alle Mörder, die an diesen Morden und Massakern beteiligt waren, wurden sowohl materiell als auch durch Beförderungen belohnt. 

In einem solchen Land, in einem derartigen System ist der revolutionäre  Kampf eine zwingende Notwendigkeit. Die Frage sollte nicht lauten: “Warum führst du den revolutionären Kampf?”, sie sollte lauten: “Warum kämpfst du nicht?”

Überall, wo Unterdrückung und Tyrannei allgegenwärtig ist, ist der Aufstand berechtigt! Gegen eine Ordnung zu kämpfen, die die Welt zu einem Ort macht, in der zu leben unmöglich ist, ist legitim! Gegen Kriege und Besatzungen zu kämpfen ist legitim!

Ja, eine lebenswerte Welt ist möglich. Unterdrückte Völker, vereinigt euch! Der Sozialismus ist die einzige Alternative für eine schöne Welt, für eine gute Zukunft!

Die Revolutionäre und der revolutionäre Kampf können nicht angeklagt werden!

Man sollte diesen Weg der Rechtswidrigkeit und Ungerechtigkeit nicht mehr gehen, das Verfahren muss eingestellt werden! Ich beantrage, freigesprochen zu werden. 

Ich beende mein letztes Wort mit den Worten des Sachverständigen Herrn Prof. Neumann: “Die TKP/ML tötet keine Menschen, aber Erdoğan tötet …“

Ich danke Ihnen!