In der Türkei gefoltert – in Deutschland haftfähig?

Der 52. Hauptverhandlungstag im Prozess gegen türkische Kommunisten beim Oberlandesgericht München fiel aus, weil einem der Angeklagten heute Verhandlungsunfähigkeit attestiert wurde. Ebenfalls abgesagt wurde der Hauptverhandlungstag am 02.05.2017.

Der Prozess gegen die wegen Mitgliedschaft in der TKP/ML als „Terroristen“ angeklagten KommunistInnen zeigt immer wieder, wie zynisch die bundesdeutsche Politik bezüglich der Türkei ist: einige der Angeklagten wurden in der Vergangenheit in der Türkei schwer gefoltert und erhielten als politisch Verfolgte Asyl. Nun wird ihnen vorgeworfen, sie würden den türkischen Staat bekämpfen und sie werden, teilweise auf der Basis von Beweisen, die die türkische Polizei geliefert hat, in Untersuchungshaft genommen und vor Gericht gestellt. Sie werden nun unter Sonderhaftbedingungen behandelt, was natürlich Retraumatisierungen auslösen kann.

Der Senat des OLG München hat bislang deutlich gemacht, dass er auch Beweismittel benutzen will, die möglicherweise durch Folter gewonnen wurden, und dass er die Vorgaben des Justizministeriums akzeptiert, dass das Kalifat Erdogans immer noch als schützenswerte Regierungsform begreift und sich daher an der Bekämpfung der türkischen Opposition in Deutschland beteiligt.

Bei dem Angeklagten Mehmet Yeşilçalı, der viele Jahre in der Türkei inhaftiert und schwerer Folter ausgesetzt war, ist seit längerer Zeit bekannt, dass er in besonderer Art und Weise unter der Untersuchungshaft leidet. Nachdem er im bereits im Dezember 2016 in der JVA München Gewalt und besonders entwürdigender Behandlung ausgesetzt war, hat sich sein Gesundheitszustand weiter verschlechtert. Mittlerweile liegen übereinstimmende Gutachten mehrerer Sachverständiger vor, die bei Herrn Yeşilçalı das Vorliegen einer haft- und folterbedingten posttraumatischen Belastungsstörung nebst Folgeerkrankungen bestätigen und die Gefahr einer kritischen Gesundheitsverschlechterung durch die Fortdauer der Haft prognostizieren. Ein Antrag auf Haftverschonung des Angeklagten Mehmet Yeşilçalı liegt dem Senat vor, sein Zustand spitzte sich heute derart zu, dass ihm Verhandlungsunfähigkeit bescheinigt wurde.

Der Senat wird sich jetzt entscheiden müssen, ob er trotz Vorliegens des Gutachtens renommierter Sachverständiger, das dem Angeklagten schwerste haftbedingte Erkrankungen attestiert, die ohnehin absurde Untersuchungshaft aufrecht erhält.

Eine Entlassung aus der Untersuchungshaft würde allerdings das für diesen Prozess notwendige Bild der gefährlichen terroristischen Vereinigung ins Wanken bringen: ein Angeklagter, der nicht flieht, sondern pünktlich zur Verhandlung erscheint, passt da nicht ins Bild.

Wird der Senat auf Kosten der Gesundheit des Angeklagten tatsächlich sein Konzept eines klassischen Terrorprozesses gegen Angeklagte durchsetzen, denen keine einzige Beteiligung an konkreten Gewalttaten vorgeworfen wird?