Verteidigerpost

Als Reaktion auf die Mitteilung in der letzten Hauptverhandlung, dass Post zwischen dem Angeklagten Müslüm Elma und seinen Verteidigern zum Übersetzen an in der Türkei ansässige, unvereidigte und nicht zum Schweigen verpflichtete Dolmetscher übersandt wurde, stellte die Verteidigung heute mehrere Aussetzungs- und Unterbrechungsanträge. Ziel dieser Anträge ist es, die Verhandlung so lange zu unterbrechen oder gar ganz abzubrechen, bis festgestellt werden kann, in welchem Ausmaß Verteidigerpost möglicherweise an Dritte gelangt ist, und die Verteidigungsstrategie diesen neuen Umständen angepasst werden kann. Der Senat stellte den Aussetzungsantrag „zurück“ da darüber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht entscheiden werden könne. Zunächst müssten weitere Informationen von den Kontrollrichtern eingeholt werden.

Unter solchen Umständen müsste das Verfahren nach rechtsstaatlichen Grundsätzen eigentlich eingestellt werden, da unklar ist, welche Informationen über bspw. Verteidigungsstrategien an wen gelangt sind. Außerdem ist nun einerseits kein vertraulicher Postverkehr zwischen Verteidigern und Angeklagten mehr möglich. Andererseits ist es schlicht unmöglich, die gesamte Prozessvorbereitung mündlich am Rande der Hauptverhandlung oder im Knast mit Trennscheibe zu leisten. Die in der Strafprozessordnung verankerten Regelungen zur „Terrorismusbekämpfung“ sind rechtsstaatlich nicht vertretbar und treten Beschuldigtenrechte mit Füßen, um so mehr, wenn wie hier nicht einmal diese Regeln eingehalten werden.

Der Verhandlungstag verlief insgesamt beinahe klamaukhaft, da er wieder mal von zahlreichen längeren Unterbrechungen zerrissen wurde. Die Gerichtsdolmetscher zeigten sich erneut unfähig, Anträge mit kurzer Vorbereitung zu übersetzen, sondern forderten beispielsweise für den 9-Seitigen Aussetzungsantrag am Anfang der Verhandlung vier Stunden Zeit bis 14 Uhr.

Zwischenzeitlich wurde noch ein Widerspruch gegen die Anordnung des Selbstleseverfahrens verlesen. Diesen hatte die Verteidigung bereits am letzten Verhandlungstag an die Gerichtsdolmetscher übergeben, diese hatten ihn allerdings „verbummelt“ so dass wiederum eine Unterbrechung notwendig wurde.

Letztendlich musste der Vorsitzenden die Verhandlung unterbrechen. Sie wird am kommenden Freitag fortgesetzt. Bis dahin sollen alle notwendigen Informationen von den Kontrollrichtern vorliegen.

Ein Signal dafür, wie das Gericht mit den Angeklagten und ihren Verteidigern umgeht, war der Umstand, dass auf der Internetpräsentation des Oberlandesgerichts München heute bereits die Termine für die Fortsetzung des Verfahrens von Januar 2017 bis September 2017 veröffentlicht wurden, ohne dass diese der Verteidigung vorher bekannt gemacht wurden.