Der Gesundheitszustand unseres Mandanten Mehmet Yesilcalı hat sich in den letzten Monaten dramatisch verschlechtert.

Herr Yesilcalı befindet sich seit mittlerweile mehr als 2 Jahren in Haft. Seit seiner Auslieferung aus der Schweiz im März 2016 unterliegt er – wie die anderen Gefangenen aus dem Münchner TKP/ML-Verfahren auch – besonders schweren und isolierenden Untersuchungshaftbedingungen. Dabei leidet Herr Yesilcalı in erheblicher Weise unter der Trennung von seiner Ehefrau und seinen Kindern. Auch bei Besuchen seiner Ehefrau gilt weiterhin die sog. Trennscheibenanordnung.

Herr Yesilcalı ist aufgrund massiver Foltererfahrung in der Türkei psychisch erkrankt; er leidet unter anderem an einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung. Diese Krankheiten sind auch durch gutachterliche Stellungnahmen bestätigt und dem Gericht bekannt.

Über einen sehr langen Zeitraum hinweg ist es unserem Mandanten trotz dieser Krankheit und trotz der Sonderhaftbedingungen mit großer Selbstdisziplin gelungen, seine Situation zu ertragen und den Haftalltag zu bewältigen.

Seit dem 9. Dezember 2016 ist ihm dies nicht mehr möglich.

An diesem Tage wurde Herr Yesilcalı in der Haftanstalt schwer misshandelt. Aufgrund einer unverantwortlichen und falschen Behauptung einer Anstaltsärztin, wonach bei Herrn Yesilcali Suizidgefahr bestehen würde, würde unser Mandant in den sog. „Bunker“ geschafft, dort gewaltsam vollständig entkleidet und von einem Justizbeamten geschlagen. In diesem nackten Zustand musste er fast 24 Stunden in dieser Zelle verbringen.

Die bestehenden folterbedingten psychischen Verletzungen unseres Mandanten sind durch diese Gewalthandlungen massiv neu aufgebrochen. Seitdem gelingt es Herrn Yesilcalı trotz großer Anstrengungen nicht mehr, eine Struktur in seinen Haftalltag zu bringen und dem psychischen haftbedingtem Druck etwas entgegen zu setzen. Die Situation ist für unseren Mandanten daher nicht mehr zu ertragen.

Die Verteidigung hat beantragt, Herrn Yeslicalı von der weiteren Untersuchungshaft zu verschonen und ihm die Aufnahme einer Therapie bei der auf Folteropfer spezialisierten Einrichtung „Refugio“ in München zu ermöglichen.

Auch wenn noch keine Entscheidung über diesen Antrag vorliegt, ist aufgrund verschiedener gerichtlicher Schreiben zu befürchten, dass das OLG München unseren Antrag mit der Begründung ablehnen wird, dass die Haft- und Verhandlungsfähigkeit unseres Mandanten auch durch gewisse Hafterleichterungen und durch eine Traumatherapie in der Haftanstalt aufrecht erhalten werden könne.

Nach Auffassung der Verteidigung bedeutet jeder weitere Tag im Gefängnis eine nicht zu verantwortende schwere Gefährdung der Gesundheit unseres Mandanten.

Unter auf Traumtherapie spezialisierten Therapeuten gilt es als gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis, dass eine traumaspezifische Psychotherapie bei Menschen, die in der Haft gefoltert worden sind, unter Haftbedingungen nicht möglich ist.

Herr Yesilcalı muss sofort aus der Haft entlassen werden!

Franziska Nedelmann, Rechtsanwältin
Ulrich v. Klinggräff, Rechtsanwalt